EU-Außenminister-Treffen in Bratislava Was wird aus Flüchtlingsdeal und Visafreiheit?
Ertstmals seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei haben die EU-Außenminister den türkischen Europaminister getroffen. Wichtigste Frage dabei: Was wird aus Flüchtlingsdeal und Visafreiheit? Beobachter sehen Fortschritte - ein Punkt bleibt aber strittig.
Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel, zzt. Bratislava
Eines lässt sich kaum bestreiten: Nachdem die EU und die Türkei in den vergangenen Wochen eher übereinander redeten als miteinander, ist man jetzt wieder im Gespräch. Womit aber noch immer nicht zum Beispiel jene Frage beantwortet wäre, die für die Europäer von extremer Wichtigkeit ist: Platzt der im März ausgehandelte Flüchtlingsdeal mit der Türkei oder hält er?
Es gebe eine allgemeine Verunsicherung in der Türkei aufgrund des vereitelten Putsches - "was bedeutet, dass die Türkei mit Europa im Gespräch bleiben möchte", sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, der gerade erst in Ankara war. "Sie will den Flüchtlingsdeal halten."
Bedingungen noch nicht erfüllt
Noch immer aber steht die Drohung von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Raum, den Pakt platzen zu lassen, sollte nicht im Oktober die Visa-Freiheit für Türkinnen und Türken bei Reisen in die EU kommen. Die Europäer jedoch werden von ihrer Position kaum abrücken, dass Ankara dafür alle in einem Katalog festgehaltenen 72 Bedingungen erfüllen muss. Von denen sind bislang 67 abgehakt: "Ich höre, dass man bei vier der noch ausstehenden fünf Punkte klarkommt. Und dass man vielleicht eine verbindliche ‚Roadmap‘ vereinbart", so Brok im ARD-Hörfunk-Interview.
Verhandlungen zu Anti-Terror-Gesetzen
Er ist nicht der einzige, der in Bratislava davon spricht, dass man einen Fahrplan entwerfen könnte, um auch den heikelsten Streitpunkt auszuräumen - die türkischen Anti-Terror-Gesetze. Die Türkei hat klipp und klar gesagt, dass sie gerade jetzt nach dem Putsch an diesem umstrittenen Gesetzestext nichts ändern könne. Genau das aber verlangt die EU. Darüber dürfte nun verhandelt werden.
Trotz der nach wie vor durchaus ernstzunehmenden Beziehungsprobleme - ein Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zeichnet sich jedenfalls nicht ab. Der slowakische Vertreter Miroslav Lajcak erklärte: "Der Beitrittsprozess ist der beste Hebel, den die EU hat, um die Dinge zu beeinflussen." Gleich reihenweise pflichteten ihm EU-Kollegen bei.
Was bedeutete, dass die österreichische Regierung mit ihrer Forderung, die Beitrittsverhandlungen zu stoppen, zumindest nach außen hin ziemlich alleine dasteht. Auch wenn Österreichs Außenminister Sebastian Kurz noch einmal erklärte: "Ich sehe die Türkei nicht als Mitglied der Europäischen Union."
Gegenseitige Abhängigkeiten
Schon ein flüchtiger Blick auf die Landkarte jedoch genügt, um festzustellen, dass die EU die Türkei dringend braucht: Ohne sie wird sich die Flüchtlingskrise nicht bewältigen lassen, ohne sie wird eine Friedenslösung in Syrien nicht zu erreichen sein. Umgekehrt wird die EU Erdogan einzuimpfen versuchen, dass er ebenso abhängig von Europa ist - weil er es aus wirtschaftlichen Gründen braucht und Russlands Präsident Putin kein der EU vergleichbarer Partner sein kann.
Die nächsten Wochen werden im Umgang mit der Türkei schwierig bleiben, aber nach einem zuletzt sehr schnellen Auseinanderdriften scheinen beide Seiten nun wieder in eine Phase des vorsichtigen "Aneinander-Herantastens" eingetreten zu sein.