Literatur-Auszeichnung Booker-Preis geht an Nordirin Anna Burns
Mit dem Man Booker-Preis wurden bereits Größen wie Arundhati Roy oder Salman Rushdie geehrt. Jetzt geht der Preis erstmals an eine Autorin aus Nordirland: Anna Burns überzeugte mit "Milkman".
"Oh my Goodness!": Das war wahrscheinlich die kürzeste Danksagung jemals beim Man Booker-Preis. Die Überraschung, den renommierten Preis gewonnen zu haben, war Anna Burns hörbar auf die Stimme geschlagen, es waren nicht die paar Meter vom Tisch der Nominierten hinauf auf die Bühne der Londoner Guildhall, die sie außer Atem gerieten ließen. Und deshalb war nach 48 Sekunden mit ein paar stockenden Danksagungen und einem zweiten "Ach Du meine Güte" auch schon wieder Schluss.
Eine Jugend in den "Troubles"
Burns, 56 Jahre, geboren in Nordirland, in der Hauptstadt Belfast. Ein Kind, das in den "Troubles" groß wurde, wie der Bürgerkrieg in Nordirland selbst so verharmlosend bezeichnet wird. "Eine Zeit, in der es besser war, unauffällig zu sein, als einer Seite aufzufallen - egal welcher", heißt es an einer Stelle in dem Buch. Konkrete Namen, Orte, Zeiten gibt es nicht. Die Hauptdarstellerin, eine 18-jährige Ich-Erzählerin, heißt nur die "middle sister", der Milchmann nur "milkman", wobei auch nicht klar ist, ob er überhaupt Milchmann oder nicht doch Untergrundkämpfer ist.
Das Buch würde mit Namen nicht funktionieren, sagt Burns, als sie sich wieder ein bisschen gefangen hat. Das liege daran, dass es um fehlende Grundsicherheiten gehe: wie es vorangeht, wie es weitergeht, wie man entdeckt, wer man ist.
Gewalt als Normalität
In diesem Gefühl des Vagen und der Unsicherheit versucht die junge Frau, einen Weg durch familiäre und politische Konflikte zu finden. Dabei sei es natürlich von Bedeutung, dass sie selbst in Belfast aufgewachsen sei, sagt Burns. "Ich schreibe darüber, welche Auswirkung lang anhaltende Gewalt auf eine ganze Gesellschaft haben kann. Wie das ist, wenn man unter dauernder Anspannung lebt, wenn dieser Druck normal ist. Als ich aufwuchs, dachte ich, das ist die Normalität."
In ihrer Begründung erklärt die Jury des Man Booker Preises: Die Orte und Zeiten von "Milkman" stehen für die Erfahrungen, die in einer Gesellschaft in der Krise gemacht werden. Der Roman beschreibe brillant die Macht des Geschwätzes und des sozialen Drucks in einer eng geknüpften Gesellschaft.
Durchbruch mit dem dritten Roman
"Milkman" ist erst der dritte Roman von Anna Burns. Den ersten hat sie 2001 veröffentlicht, auch in ihm geht es um den nordirischen Bürgerkrieg. Burns lebt heute in England, meistens in der Grafschaft Sussex südlich von London.
Der Man Booker Preis gehört zu den renommiertesten Literatur-Auszeichnungen weltweit. Er ist mit 50.000 Pfund dotiert, umgerechnet rund 57.000 Euro.