Proteste in Belarus Polizei schießt scharf
Nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus geht die Polizei weiter hart gegen Demonstranten vor. Videos zeigen das brutale Vorgehen, Schusswaffen kamen zum Einsatz. Die Demonstranten werfen Staatschef Lukaschenko Wahlfälschung vor.
Bei weiteren Protesten gegen die umstrittene Präsidentenwahl in Belarus sind mehr als tausend Menschen festgenommen worden. Die Polizei setzte in der Nacht auch Schusswaffen ein, wie das Innenministerium mitteilte.
Auf Videos ist zu sehen, wie Einsatzkräfte mit schwarzen Masken und Uniformen ohne Erkennungsmarken wahllos Menschen auf der Straße aufgreifen und mit Knüppeln auf sie einschlagen. Proteste gab es laut Angaben des Ministeriums in 25 Städten, darunter in der Hauptstadt Minsk.
Dem Innenministerium zufolge blockierten in Minsk etwa 400 Menschen Straßen. Die Polizei habe die Proteste aufgelöst. In Brest an der Grenze zum EU-Mitglied Polen habe ein Polizist nach einem Angriff Warnschüsse abgegeben und dann auch gezielt geschossen. Ein Mensch sei verletzt worden.
Tausende Menschen festgenommen
Den Behörden zufolge wurden 50 Menschen mit Verletzungen im Krankenhaus behandelt. Zudem seien 14 Uniformierte verletzt worden. Einige von ihnen hätten in Kliniken gebracht werden müssen. In 17 Fällen werde nun wegen Angriffen auf die Sicherheitskräfte ermittelt.
Etwa 6000 Festnahmen gab es insgesamt in den vergangenen Tagen. Seit Sonntag gehen die Menschen jeden Abend wegen mutmaßlichen Fälschungen bei der Präsidentenwahl auf die Straße. Es sind die größten Proteste, die die Ex-Sowjetrepublik je erlebt hat.
Aufruf Tichanowskaja unter Druck aufgezeichnet?
Die Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja brachte sich im EU-Nachbarland Litauen in Sicherheit. In einer Videobotschaft hatte sie die Demonstranten dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Das Video soll Berichten zufolge unter Druck der Behörden noch vor ihrer Ausreise aufgenommen worden sein. Die 37-Jährige wird von ihren Unterstützern als Siegerin der Abstimmung vom Sonntag gesehen.
Staatschef Alexander Lukaschenko hatte von der Wahlkommission 80 Prozent der Stimmen zugesprochen bekommen, Tichanowskaja zehn Prozent. Auch die Bundesregierung und die EU haben massive Zweifel an dem Ergebnis geäußert.
Der Staat "Republik Belarus" ist landläufig als Weißrussland bekannt - doch diese Übersetzung trügt. Der Name "Belarus" ist eine Referenz auf die Westliche Rus, ein Teilgebiet des mittelalterlichen slawischen Großreichs der Kiewer Rus.
Historisch überholte Bezeichnungen wie "Weißruthenien" in der Zeit des Nationalsozialismus und "Belarussische SSR" während der Sowjetunion sind für die 9,4 Millionen Einwohner des seit 1991 unabhängigen Staates schmerzhaft und erinnern sie an die leidvolle Zeit der Fremdherrschaft.
Sie bezeichnen ihr Land meist als Belarus und sich selbst als Belarusen, weil sie damit ihre Eigenständigkeit - insbesondere vom Nachbarstaat Russland - betonen. Auf diplomatischer Ebene wird der Name "Belarus" im deutschsprachigen Raum schon lange verwendet, auch das Auswärtige Amt spricht von der "Republik Belarus". Zunehmend gehen auch deutsche Nachrichtenmedien dazu über - und nennen die Einwohner konsequenterweise "Belarusen", nicht "Belarussen".