Barley über EU-Beitritt "Noch ein langer Weg für die Ukraine"
Die EU sieht die Ukraine als mögliches Mitglied - doch bis zu einer Aufnahme wird es aus Sicht der Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, Barley, noch dauern. Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigt sich deutlich optimistischer.
Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, erwartet für die Ukraine "noch einen langen Weg" bis zum EU-Beitritt. Die SPD-Politikerin sagte im tagesthemen-Interview, dass die Ukraine dieselben Bedingungen erfüllen müsse wie alle anderen Kandidatenstaaten auch.
"Wir werden die Ukraine unterstützen mit allem, was wir können und haben - vor allem auch finanziell und wirtschaftlich", sagte sie. Bis zur Aufnahme in die EU werde es jedoch noch eine Weile dauern. Es gebe politische und wirtschaftliche Kriterien, zudem müsse die Ukraine die Standards der europäischen Rechtsordnungen erreichen. Alle drei Felder seien noch lange nicht erfüllt. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wisse, "morgen kann es nicht passieren".
Kandidatenstatus wichtiges Symbol
Barley bezeichnete die EU-Perspektive mit der Verleihung des Kandidatenstatus' an die Ukraine als außergewöhnlichen Vorgang, aber auch als wichtiges Symbol. Allerdings warnte sie vor zu großen Hoffnungen:
Es ist ganz wichtig, dass man realistisch zu den Ukrainerinnen und Ukrainern ist.
In der Vergangenheit habe die EU den Fehler gemacht, dass Länder zu schnell aufgenommen worden seien.
"Nicht fair" gegenüber anderen Kandidaten
Barley sagte weiter, man müsse auch berücksichtigen, dass es Kandidatenstaaten gebe, die schon "sehr lange auf den Beitritt warten, die schon unglaublich viele Reformen durchgeführt haben. Gegenüber denen wäre es nicht fair, wenn wir jetzt das ganze Verfahren bei einem Staat völlig auf den Kopf stellen."
Außerdem sei die EU in ihrem derzeitigen Zustand nicht aufnahmereif. "Wir sind 27 und die Strukturen sind auf diese Zahl schon nicht mehr angepasst. Wir müssen Veränderungen vornehmen." In diesem Zusammenhang nannte sie als wesentliches Beispiel die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips. Dieses Prinzip legt fest, dass bei wichtigen Entscheidungen die Zustimmung aller EU-Mitglieder erfolgt.
Selenskyj rechnet mit schnellem Start des Beitrittsprozesses
Der mögliche EU-Beitritt der Ukraine war am Freitag ein zentrales Thema auf einem Gipfel in Kiew, an dem die EU-Spitzen und Vertreter der ukrainischen Regierung teilgenommen hatten, darunter auch der Präsident des Landes, Wolodymyr Selenskyj.
Selenskyj zeigte sich nach diesem Treffen im Hinblick auf einen möglichst raschen Beitritt deutlich optimistischer. In einer am Freitagabend veröffentlichten Videobotschaft zeigte er sich überzeugt: "Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU." Dieser Status seines Landes müsse nur noch rechtlich verankert werden. Bei dem Gipfel habe es ein beiderseitiges "Verständnis" gegeben, dass Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine möglicherweise noch in diesem Jahr aufgenommen werden könnten.
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, zog eine positive Bilanz des Gipfeltreffens. "Die Botschaft dieses Tages ist eindeutig: Die Ukraine wird EU-Mitglied werden", sagte er gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Sein Land werde "alles dafür tun, den Beitrittsprozess so schnell wie möglich abzuschließen."
EU lässt Zeitplan für Verhandlungen offen
Doch nicht nur EU-Parlamentsvize Barley sieht in der Ukraine noch einigen Reformbedarf, bevor diese in die EU aufgenommen werden kann. Zwar hatten bei dem Gipfel in Kiew sowohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch EU-Ratspräsident Charles Michel durchaus in Aussicht gestellt, dass Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr starten könnten. Doch einen Zeitplan nannten sie nicht.
Für den Beginn solcher Verhandlungen muss die Ukraine noch mehrere Anforderungen der EU erfüllen, darunter etwa ein effektiverer Kampf gegen Korruption. Sie sehe durchaus die Entschlossenheit und den Reformwillen der Ukraine, betonte von der Leyen. Doch auch sie dämpfte die Erwartungen: Es gebe für die Ukraine noch viel zu tun.