Nach Tod von Amini Erneut Proteste und Gewalt im Iran
Die Proteste halten an - diesmal soll im Nordwesten des Landes demonstriert worden sein. Es gibt Berichte über Zusammenstöße und Schüsse. Unterdessen wurden in Deutschland und dem Iran jeweils die Botschafter zum Gespräch gebeten.
Im Nordwesten des Irans haben Demonstranten Berichten zufolge versucht, Behördengebäude zu besetzen. Videos in sozialen Medien zeigten Menschenmassen, die aus der kurdischen Stadt Mahabad stammen sollen. Es ist unklar, ob die Demonstranten wie behauptet auch das Büro des Gouverneurs besetzt haben.
Zudem wurde über Schüsse in der Stadt berichtet. Auch hierzu sind die Umstände noch unklar. Die Videos ließen sich zunächst nicht verifizieren.
Wohl Zusammenstöße mit Sicherheitskräften
Die staatliche Nachrichtenagentur Irna erklärte, mithilfe der Polizei sei ein Eindringen der Demonstranten verhindert worden. Sie veröffentliche mehrere Fotos chaotischer Straßenszenen mit ausgebrannten Läden. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz in Oslo, die Kontakte in die Region unterhält, berichtete über Zusammenstöße mit Sicherheitskräften, bei denen in Mahabad mindestens ein Demonstrant getötet worden sein soll.
UN-Beauftragter sieht Mitschuld bei Raisi
Ein UN-Beauftragter hat dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi indes eine Mitschuld an Hunderten getöteten Demonstrantinnen und Demonstranten in dem Land gegeben. Raisi selbst habe die Sicherheitskräfte bei einer Reihe von Gelegenheiten zu Gewalt gegen Zivilistinnen und Zivilisten "angestiftet", sagte Javaid Rehman, UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation im Iran. Unter anderem habe sein Dekret zur Einhaltung des Hijab-Gesetzes "der Sittenpolizei die Lizenz gegeben, es energischer durchzusetzen".
UN-Experte Rehman sprach von mehr als 250 Getöteten seit Beginn der Proteste - unte ihnen mindestens 27 Kinder. Dabei sei die Dunkelziffer hoch. Der UN-Experte forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Fälle systematisch zu untersuchen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Gleichzeitig gab er sich überzeugt, dass sich die Demonstrationen nicht niederschlagen lassen werden.
Die iranischen Behörden, so brutal und repressiv sie auch sind, können die jungen Menschen nicht aufhalten. Sie werden diese Bewegung nicht aufhalten können.
Botschafter zu Gesprächen gebeten
Nach der Ankündigung eines härteren Vorgehens gegen den Iran durch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gab es außerdem jeweils Vorladungen für Gespräche mit den Diplomaten vor Ort. Aus Teheran war zuerst gemeldet worden, der deutsche Botschafter im Iran, Hans-Udo Muzel, sei zu Gesprächen einbestellt worden. Das Auswärtige Amt bestätigte das. Später wurde bekannt, dass der iranische Botschafter in Berlin ebenfalls zum Gespräch gebeten wurde.
Baerbock hatte zuletzt angekündigt, den Kurs gegen Teheran wegen des harten Vorgehens der Behörden gegen die dortige Protestbewegung zu verschärfen. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen demnach zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt werden. Die ohnehin eingeschränkten Wirtschaftskontakte sollen weiter reduziert werden, auch mit Blick auf noch bestehende Geschäftsbeziehungen iranischer Banken.
Iran wirft Deutschland Unterstützung der Proteste vor
Der Iran wirft Deutschland und Baerbock vor, die seit Wochen dauernden systemkritischen Proteste in dem Land zu unterstützen. Gleichzeitig machte das Außenministerium in Teheran europäische Länder auch für eine Unterstützung terroristischer Handlungen in einer Moschee verantwortlich, wie Irna meldete. Zu dem Anschlag hatte sich zuvor der Islamische Staat bekannt. Bei dem Terroranschlag in der südiranischen Millionenstadt Schiras wurden nach Angaben staatlicher Medien mindestens 13 Menschen getötet.
Seit mehr als 40 Tagen gehen im Iran immer wieder Menschenmassen auf die Straße und protestieren gegen die Regierung. Auslöser war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Landesweit protestieren Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. Mehr als zehntausend Menschen wurden im Zusammenhang mit Protesten nach Angaben von Menschenrechtlern festgenommen.