Nach Teilmobilmachung Fast 100.000 Russen nach Kasachstan ausgereist
Knapp eine Woche nach Anordnung der Teilmobilmachung haben weit über 100.000 Russen ihr Land in alle Richtungen verlassen. Georgien meldet Staus an seiner Grenze. Allein in Kasachstan sollen seit der Ankündigung 98.000 russische Staatsbürger eingereist sein.
Zehntausende Russen haben seit der Teilmobilmachung des russischen Militärs vor knapp einer Woche das Land verlassen. Allein nach Kasachstan seien seit dem 21. September rund 98.000 russische Staatsbürger eingereist, teilte die Migrationsbehörde des kasachischen Innenministeriums nach Angaben der Agentur Interfax mit. Mehr als 8000 Russen erhielten demnach eine persönliche Identifikationsnummer, die Voraussetzung für eine Registrierung und die Eröffnung von Bankkonten in dem zentralasiatischen Land ist. Seit Anfang April hätten bereits mehr als 93.000 russische Staatsbürger Identifikationsnummern und mehr als 4000 eine Aufenthaltserlaubnis für Kasachstan bekommen.
Am Mittwoch vergangener Woche hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Teilmobilmachung von hunderttausenden Reservisten bekannt gegeben. Die Teilmobilmachung hatte Proteste im ganzen Land sowie einen Ansturm russischer Männer auf die Nachbarländer ausgelöst. Die meisten direkten Flüge in Länder ohne Visumsanforderungen für Russen waren schnell ausverkauft, die Ticket-Preise stiegen enorm an.
Kasachstan sichert Schutz zu
Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew sicherte den vor der russischen Teilmobilmachung nach Kasachstan fliehenden Russen Schutz zu. "In den vergangenen Tagen sind viele Leute aus Russland zu uns gekommen. Die meisten sind aufgrund einer ausweglosen Situation gezwungen fortzugehen", erklärte Tokajew. "Wir müssen uns um sie kümmern, für ihre Sicherheit sorgen." Es handele sich um eine "politische und humanitäre Frage", sagte er. Innenminister Marat Achmetdschanow betonte zugleich, dass russische Kriegsdienstverweigerer, nach denen gefahndet werde, ausgeliefert werden müssten.
Eigentlich ein Verbündeter Moskaus, ist der kasachische Staatschef seit der russischen Offensive in der Ukraine auf Distanz gegangen. Erneut verurteilte Tokajew den Konflikt. "Die territoriale Integrität eines Staates muss unveräußerlich sein, das ist ein Schlüsselprinzip", sagte er. In vier ukrainischen Regionen hält Russland derzeit sogenannte Referenden zur Annexion durch Russland ab. "In unserer unmittelbaren Nachbarschaft findet gerade ein Krieg großen Ausmaßes statt. Wir müssen uns daran erinnern und vor allem an unsere Sicherheit denken", sagte Tokajew weiter.
Langer Stau nahe der russischen Grenze zu Georgien: Regionale Behörden sprechen am Dienstag von 5500 Autos.
Staus an georgischer Grenze
Auch nach Georgien versuchten Tausende Russen zu gelangen. An der Grenze südlich von Wladikawkas stauten sich nach Angaben der regionalen Behörden am Dienstag rund 5500 Fahrzeuge, darunter etwa 3600 Personenwagen. Das Innenministerium der russischen Teilrepublik Nordossetien erlaubte den Menschen, die Grenze zu Fuß zu überqueren. Zugleich teilten die Behörden nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass mit, dass an der Grenze in Kürze ein Einberufungszentrum für den Krieg in der Ukraine eingerichtet werden solle.
"Vor vier oder fünf Tagen kamen täglich 5000 bis 6000 Russen in Georgien an", sagte der georgische Innenminister Wachtang Gomelauri in Tiflis. Mittlerweile sei diese Zahl auf "10.000 pro Tag" gewachsen. In den ersten vier Monaten des Ukraine-Kriegs waren bereits fast 50.000 Russen nach Georgien geflohen, wo sie ein Jahr lang ohne Visum bleiben dürfen.
Die massenweise Ankunft von Russen auf der Flucht vor einer Einberufung in die Armee löst in Georgien zwiespältige Gefühle aus. Schließlich sind die Erinnerungen an Russlands Einmarsch in Georgien im Jahr 2008 noch lebendig. Seit dem fünftägigen Krieg sind in zwei abtrünnigen Regionen Georgiens russische Soldaten stationiert.
Auch Finnland meldet deutlich mehr Einreisen von Russen
Ein Ansturm von Russen war in den vergangenen Tagen auch von den Grenzen zu Finnland und der Mongolei gemeldet worden. Die finnische Grenzschutzbehörde verzeichnete am Wochenende bei den Einreisen aus Russland einen Rekord für dieses Jahr. "Das letzte Wochenende war das verkehrsreichste Wochenende des Jahres an der östlichen Grenze", sagte Mert Sasioglu vom finnischen Grenzschutz. Nach Angaben der Behörde von Montag reisten fast 8600 Russen am Samstag über die Landgrenze ein, 4200 überquerten die Grenze in die andere Richtung. Am Sonntag kamen mehr als 8300 Russen an, fast 5100 verließen das Land. "Die Ankunftsrate ist ungefähr doppelt so hoch wie vor einer Woche", sagte Sasioglu.