Fake-News Aufklärung in Taiwan
weltspiegel

Fake News in Taiwan Von "giftigen Eiern" und Technologieklau

Stand: 10.12.2023 14:10 Uhr

Taiwan wählt im Januar einen neuen Präsidenten - und wird seit langem von einer Flut von Fake News überschwemmt. Experten schreiben der Volksrepublik China eine zentrale Rolle zu. Eine Gegenstrategie setzt an Taiwans Schulen an.

An der Banqiao Senior Highschool bei Taipeh steht die Verteidigung der Demokratie auf dem Stundenplan. Gemeint ist nicht das Militär. Es geht um die Erkennung von Falschinformation und Fake News. Ein Kapitel, das im demokratisch regierten Taiwan ebenso wichtig genommen wird wie die Verteidigung mit Waffen.

Sozialkundelehrer Thomas Lai gibt seiner Klasse, mehr als 30 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren, eine goldene Regel an die Hand. Sie sollen nicht unbesehen glauben, was täglich aus ihren Smartphones sprudelt.

Die sozialen Netzwerke sind für die Kinder die wichtigste Informationsquelle, ergibt eine Umfrage im Klassenraum. Nur fünf von ihnen lesen noch Tageszeitungen. Auch Fernsehen und Radio spielen für sie nicht die erste Geige.

Fake News in Taiwan

Ulrich Mendgen, ARD Tokio, Weltspiegel, 10.12.2023 18:30 Uhr

Einfache Tipps

"Finde heraus, woher die Information stammt", steht an der Tafel. "Überprüfe, ob die Überschrift neutral klingt", lautet der nächste Tipp. "Überprüfe den Autor und seine Quellen", so eine weitere Regel. Außerdem: "Verifiziere die Fotos."

Bei den Schülern kommt die praxisnahe Lektion gut an. "Es geht ja auch auf die Wahlen zu", sagt der Teenager Yang Hung-che und verweist auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Mitte Januar. "Bei vielen Meldungen ist der Wahrheitsgehalt unklar. Da kann man die Techniken nutzen, die wir hier lernen."

Eine digitale Front

Ob Taiwan in Zukunft seinen demokratischen Lebensstil bewahren kann, werden nicht nur die militärischen Kräfteverhältnisse entscheiden. Schon heute tobt im Netz und in den Medien der Kampf um die Meinungshoheit und damit um den künftigen Kurs.

Ein Meer von Falschmeldungen überschwemmt die Insel. Experten schreiben China dabei eine zentrale Rolle zu.

In Taiwan haben sich verschiedene Initiativen gebildet, um ihre Mitbürger vor Falschmeldungen zu warnen. Eine dieser Organisationen ist die Nichtregierungsorganisation "Doublethink Lab". Geschäftsführer Wu Ming-hsuan erkennt hinter den Fake News eine strategische Absicht: "Der Kampf um die öffentliche Meinung kommt vor einer militärischen Invasion." Die Siegchancen der Angreifer seien am größten, wenn die Taiwaner kapitulieren oder ihren Widerstandswillen verlieren.

Häufig verbreitete Falschmeldungen

Bei der Analyse der Fake News haben die Experten des "Doublethink Lab" typische Narrative ausgemacht. Eines davon ist das Heraufbeschwören angeblicher Versorgungsengpässe in Taiwan. Dazu gehört auch das Gerücht, die Regierung habe "giftige" Hühnereier importieren lassen - eine Behauptung ohne jeden Beleg.

Ein anderes Kapitel der Desinformation ist der gezielte Versuch, die USA als Schutzmacht Taiwans in der Bevölkerung zu diskreditieren. So kursierte die Behauptung, die Amerikaner wollten die international erfolgreiche taiwanische Chip-Technologie rauben und in die USA verlagern. Eine unbewiesene Meldung, die in Taiwan dennoch für Aufsehen sorgte.

Die Analyse von "Doublethink Lab" zeigt, dass dieses Gerücht einer älteren Verschwörungsidee entsprang und von chinesischen Staatsmedien, Influencern und TikTok-Kanälen weitergetragen wurde.

Nicht immer ist die Beteiligung Chinas so eindeutig nachweisbar. Doch eine auffällige Nähe zu den Absichten der chinesischen Propaganda zeigt sich bei vielen Fake News, die in Taiwan im Umlauf sind.

Eine deutliche Botschaft

Die Botschaft dahinter ist für den Desinformationsexperten Wu deutlich erkennbar: "Sie möchten ein Bild von Taiwan als einem schwachen Land erzeugen und den Taiwanern einbläuen, dass sie China nichts entgegenzusetzen haben." Die Bevölkerung solle glauben, dass es für Taiwan nur die Möglichkeit der Unterwerfung gebe.

Schwierig ist aber nicht nur die Erkennung der Falschinformationen, sondern auch deren dauerhafte Bekämpfung. Es fehlt das Mittel, um sie abzustellen. Nur dauerhafte Wachsamkeit kann helfen, die Unterwanderung abzuwehren.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erst im "Weltspiegel" am 10. Dezember 2023 um 18:30 Uhr.