Militärmanöver China probt offenbar Abriegelung Taiwans
Zum Abschluss seines Manövers rund um Taiwan hat China nach eigenen Angaben eine "Luftblockade" geübt. Zeitgleich zeigte ein US-Zerstörer Präsenz im Südchinesischen Meer. In dem Konflikt um Taiwan plädiert Frankreichs Präsident Macron indes für eine eigene europäische Strategie.
Chinas Volksbefreiungsarmee hat ihre großangelegten Manöver in der Nähe Taiwans beendet. Ein Sprecher des chinesischen Ostkommandos berichtete am Montag, die verschiedenen Übungen seien nach drei Tagen "erfolgreich abgeschlossen" worden. Am dritten Tag der Militärmanöver übten die Streitkräfte nach eigenen Angaben die "Abriegelung" der Insel. Mehrere Dutzend Militärflugzeuge seien vor Taiwan im Einsatz, um eine "Luftblockade" der Insel durchzusetzen, hieß es im staatlichen chinesischen Fernsehsender CCTV.
"Mehrere Gruppen von H-6K-Kampfflugzeugen mit scharfer Munition" hätten "mehrere Wellen simulierter Angriffe auf wichtige Ziele auf der Insel Taiwan" ausgeführt, erklärte das chinesische Militär. An den Übungen sei zudem auch der Flugzeugträger "Shandong" beteiligt gewesen.
Das taiwanische Verteidigungsministerium gab an, innerhalb von vier Stunden elf chinesische Kriegsschiffe und 59 Militärflugzeuge vor der Insel gesichtet zu haben. Unter den Flugzeugen seien Kampfjets und Bomber gewesen, hieß es aus Taipeh. 39 Flugzeuge hätten die früher noch respektierte, nicht offizielle Mittellinie der Meerenge der Taiwanstraße überquert und seien auch in die taiwanische Luftüberwachungszone (ADIZ) eingedrungen, die als eine Art Pufferzone zur Volksrepublik dient.
Das japanische Verteidigungsministerium erklärte, von der "Shandong" aus seien Kampfflugzeuge und Hubschrauber zwischen Freitag und Sonntag 120 Mal gestartet und wieder gelandet. Der Flugzeugträger sei zusammen mit drei weiteren Kriegsschiffen und einem Hilfsschiff bis auf 230 Kilometer an die Insel Miyako herangekommen, die zur Präfektur Okinawa gehört. Auch Japan verfolge das Manöver mit großem Interesse, sagte ein Regierungssprecher. Das Land mobilisierte nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen mehrere Kampfjets.
"Ernste Warnung" an Unabhängkeitskräfte
Die seit Samstag andauernden Übungen hätten sich gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen in Taiwan gerichtet, sagte der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin. "Es ist eine ernste Warnung wegen der provokativen Aktivitäten der separatistischen Unabhängigkeitskräfte in Taiwan und ihre geheimen Absprachen mit ausländischen Kräften." Er wertete das Manöver als "notwendigen Schritt, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu schützen". Taiwan sei eine "rein innere Angelegenheit Chinas".
Der Frieden in der Straße von Taiwan und die Unabhängigkeit der Insel seien nicht miteinander vereinbar, sagte Wang. "Wenn wir den Frieden und die Stabilität (...) schützen wollen, müssen wir jeder Form des Separatismus für eine Unabhängigkeit Taiwans entschieden entgegentreten."
Das Manöver sei nicht überraschend gekommen, meint Chinaexperte Benjamin Ho im Gespräch mit der Agentur Reuters. "Die Manöver sind ja ganz offensichtlich zu erwarten gewesen. Schließlich hat China nie die Möglichkeit ausgeschlossen, Taiwan auch mit Gewalt mit der Volksrepublik zu vereinen. Wenn man mit dem Militär droht, dann muss man es auch trainieren." Peking signalisiere damit, dass es Taiwans Bestrebungen nach Unabhängigkeit nie akzeptieren werde, da diese Chinas Anspruch auf Taipeh untergraben.
Tsai-Besuch in den USA irritiert Peking
Dem Manöver vorausgegangen war ein Zwischenstopp der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA auf dem Rückweg von einer Mittelamerika-Reise. In Kalifornien war die Präsidentin am vergangenen Mittwoch mit dem Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses, Kevin McCarthy, zusammengetroffen - protokollarisch die Nummer Drei der USA. Es war das erste Treffen dieser Art auf US-amerikanischem Boden.
Die kommunistische Führung in Peking betrachtet das unabhängig regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik, versucht, Taiwan international zu isolieren und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taiwan entschieden ab. Schon nach dem Besuch von McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi im August in Taipeh waren großangelegte Militärmanöver abgehalten worden. Taiwan befürchtet eine Eroberung durch China.
Der Konflikt um Taiwan ist ein zentrales Streitthema zwischen China und den USA. Washington hat sich seit 1979 der Verteidigungsfähigkeit der Insel verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Beobachter befürchten, an dem Streit könnte sich potenziell eine militärische Konfrontation zwischen den zwei Weltmächten entfachen. Außerdem streiten die USA und China über die chinesischen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer.
US-Aktion im Südchinesischen Meer
In den zunehmenden Spannungen absolvierte der amerikanische Lenkwaffen-Zerstörer USS "Milius" zeitlich parallel zum chinesischen Militärmanöver rund um Taiwan einen Einsatz nahe dem Mischief-Atoll der Spratly-Inseln. Wie die 7. US-Flotte mitteilte, sei das US-Kriegsschiff damit für die Freiheit der Navigation in dem von China und anderen Staaten beanspruchten Meeresgebiet eingetreten. Anschließend habe die "Milius" das Gebiet wieder verlassen.
Das Riff sei im natürlichen Zustand von Wasser überspült und erlaube daher nach der Seerechtskonvention keine Territorialansprüche, hieß es in der Mitteilung. Chinas Landgewinnung sowie die errichteten Anlagen änderten daran nichts. "Unrechtmäßige und weitreichende Ansprüche im Südchinesischen Meer stellen eine ernste Gefahr für die Freiheit der Meere dar, einschließlich der Freiheit der Navigation und des Überfluges, des freien Handels und ungehinderter Geschäfte."
China beansprucht fast das gesamte Südchinesische Meer für sich und hat künstliche Inseln aufgeschüttet, um seine Ansprüche zu untermauern. Dies betrifft auch strategisch wichtige und ressourcenreiche Gebiete, die Länder wie Indonesien, Malaysia und die Philippinen für sich reklamieren. Die USA und Chinas Nachbarn werfen Peking eine zunehmende Militarisierung der Region vor. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies die chinesischen Gebietsansprüche 2016 zurück. China ignoriert das Urteil allerdings.
Macron für europäische China-Strategie
Nach Ansicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sollte Europa im Fall von Taiwan weder China noch den USA folgen, sondern eine eigene Strategie anstreben. "Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und entweder dem amerikanischen Duktus oder einer chinesischen Überreaktion folgen müssen", zitierte ihn das Magazin "Politico".
Europa sollte nicht zur Eskalation des Konflikts beitragen, sondern als dritter Pol zwischen den USA und China agieren, sagte Macron in einem Interview mit "Politico" und der französischen Zeitung "Les Echos" während seines dreitägigen Besuchs in China in der vergangenen Woche.
EU-Kommission ruft zu Zurückhaltung auf
Die Europäische Union äußerte sich besorgt über das Militärmanöver und rief zur Zurückhaltung auf. Spannungen müssten durch Dialog gelöst werden, sagte Nabila Massrali, Sprecherin der EU-Kommission für auswärtige Angelegenheiten. Eine Eskalation habe weltweit enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Sicherheitslage. Der Status Taiwans dürfe nicht mit Gewalt geändert werden.
Die Straße von Taiwan ist eine vielbefahrene Schifffahrtsroute und enorm wichtig für den weltweiten Handel. Ihre Mittellinie gilt als nicht offizielle Grenze zwischen China und Taiwan, das die Volksrepublik als ihr eigenes Territorium beansprucht.