Sri Lanka Neuer Präsident der alten Garde
Sri Lankas Präsident Wickremesinghe ist für die Demonstrierenden kein Neuanfang. Er habe nicht das "Mandat der Menschen hier", betonen sie und trauen ihm nicht zu, das Land aus der wirtschaftlichen Krise zu holen.
Tränen rollen über die Wangen der Menschen. Dutzende saßen am Vormittag vor dem Büro des Präsidenten und haben die Wahl friedlich abgewartet. "Unser ganzes Land hat höllisch unter den korrupten Führern gelitten," sagt die Aktivistin Damitha Abeyratne. "Sie haben Geld gestohlen, das doch uns, unserer ganzen Nation gehört. Und unsere Leute sterben, weil sie Tag und Nacht in Schlangen anstehen müssen."
Gestern noch hatten Demonstrierende eine Strohpuppe angezündet. Sie trug den Namen und das Gesicht von Ranil Wickremesinghe. Also von dem Mann, der nun zum Präsidenten gewählt wurde - auch mit den Stimmen der Partei des ehemaligen Präsidenten, Gotabaya Rajapakse.
Gota, wie die Menschen ihn in Sri Lanka nennen, war vergangene Woche getürmt, kurz bevor Tausende Menschen seinen Palast gestürmt hatten. Er war mit seiner Familie auf die Malediven geflohen, dann nach Singapur. Per Mail hatte er von dort seinen Rücktritt verkündet.
"Wir wollen, dass auch er von seinem Amt zurücktritt"
Die Proteste waren kurz darauf kleiner und leiser geworden. Nun sind viele gespannt, wie sich die Lage in Colombo entwickelt, denn die Demonstrierenden zählen auch den neuen Präsidenten zur alten politischen Elite und trauen ihm nicht zu, das Land aus der wirtschaftlichen Krise zu holen.
"Ranil Wickremesinghe hat nicht das Mandat der Menschen hier", sagt einer der Demonstranten in einem Video der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir wollen, dass auch er von seinem Amt zurücktritt."
Währung hat 80 Prozent an Wert verloren
Wickremesinghe selbst allerdings glaubt fest daran, dass er sein Land aus der Krise holen kann. In einer Rede gleich kurz nach seiner Wahl sagte er, dass sich das Land in einer "sehr schwierigen Wirtschaftslage" befände. Die ganze Welt stecke Wickremesinghe zufolge in Schwierigkeiten. "Um vorwärts zu kommen, benötigen wir ein neues Programm. Die Leute fordern, dass wir nicht mit unserer alten Politik fortfahren sollen. Gemeinsam müssen wir nun alle unsere Probleme angehen."
Eine schwierige Wirtschaftslage ist ein recht euphemistischer Ausdruck. Sri Lanka ist bankrott. Hat mehr als 50 Milliarden Dollar Schulden im Ausland. Die Währung hat 80 Prozent ihres Wertes verloren.
Die wichtigsten Güter kann das Land seit Monaten nicht mehr einführen: Medikamente, Treibstoff, Kochgas. Die Menschen stehen seit Monaten tagelang in der Hitze in Schlangen an, einige sind dabei schon ums Leben gekommen. Frust, Hunger und Wut hatten die Menschen mehr als 100 Tage lang auf die Straße der Hauptstadt Colombo getrieben.
Viele gehen jetzt davon aus, dass der Zorn über die Wahl des neuen Präsidenten der alten politischen Garde so groß ist, dass die Proteste weitergehen.