Nach heftigen Protesten Sri Lankas Präsident ruft Notstand aus
Kein Treibstoff, kein Strom, explodierende Kosten: Der Inselstaat Sri Lanka leidet unter einer beispiellosen Wirtschaftskrise. Nach wütenden Protesten gegen die Regierung hat Präsident Rajapaksa den Notstand ausgerufen.
Kein Treibstoff, kein Strom, explodierende Kosten: Der Inselstaat Sri Lanka leidet unter einer beispiellosen Wirtschaftskrise. Nach wütenden Protesten gegen die Regierung hat Präsident Rajapaksa den Notstand ausgerufen.
Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa hat angesichts zunehmender Unruhen einen landesweiten Notstand ausgerufen. Zuvor war bereits die Polizei- und Militärpräsenz auf den Straßen des südasiatischen Inselstaats erhöht worden.
Der Schritt diene der öffentlichen Sicherheit, dem Schutz der Ordnung und der Sicherung der Versorgung, hieß es in einer Mitteilung. Im Rahmen der Verordnung kann der Präsident Verhaftungen, die Inbesitznahme von Eigentum und die Durchsuchung von Räumlichkeiten genehmigen. Er kann auch Gesetze ändern oder aussetzen.
Dutzende Verletzte bei Protesten
Am Donnerstag hatten Hunderte Demonstranten versucht, die Privatresidenz des Präsidenten zu stürmen. Sie setzten zwei Militärbusse und einen Polizeiwagen in Brand, griffen Beamte mit Ziegelsteinen an und blockierten eine Hauptstraße nach Colombo mit brennenden Reifen. Sicherheitskräfte feuerten in die Menge und setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben. 54 Menschen wurden festgenommen. Es gab Dutzende Verletzte.
Auch in anderen Städten war es zu Demonstrationen und Straßenblockaden gekommen. Infolge der Proteste war am Freitag über Colombo eine Ausgangssperre verhängt worden.
Auslandsschulden von 55 Milliarden Dollar
Auslöser der Proteste ist eine beispiellose Wirtschaftskrise. Sri Lanka leidet unter schwerwiegenden Engpässen bei lebenswichtigen Gütern, drastischen Preiserhöhungen und Stromausfällen und erlebt damit den schmerzhaftesten wirtschaftlichen Abschwung seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1948. Viele befürchten, dass der Inselstaat im Indischen Ozean seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Experten schätzen Sri Lankas Auslandsschulden auf 55 Milliarden US-Dollar.
Der Strom fällt täglich für mehrere Stunden aus, weil nicht genügend Treibstoff für den Betrieb der Kraftwerke vorhanden ist und das trockene Wetter die Wasserkraftkapazität erschöpft hat. Wegen der Treibstoffknappheit ist auch der Preis für Diesel massiv in die Höhe geschossen. Viele der etwa 22 Millionen Einwohner sind auf ihre Mofas, Tuk-Tuks, auf mobile Küchen und Bringdienste angewiesen, um im Alltag durchzukommen.
Schlange stehen für Benzin - Dutzende Menschen warten vor einer Tankstelle in Colombo auf Treibstoff. Der ist auf Sri Lanka kaum noch zu haben.
Drei Brüder des Präsidenten in der Regierung
Eine wichtige Zeitungsgruppe druckt bis auf weiteres keine Samstagsausgaben mehr - wegen Papiermangels. Einige Wochenzeitungen werden nur noch monatlich gedruckt. Wegen des Papiermangels hatte die Regierung zuletzt auch Prüfungen an Schulen verschoben. Die Prüfungspapiere mit den Fragen hätten nicht gedruckt werden können, hieß es.
Die Demonstranten machen Rajapaksa für die desolate Lage verantwortlich. Sie werfen dem politischen Clan der Rajapaksas wirtschafts- und sozialpolitisches Versagen und Korruption vor. Drei Brüder des Präsidenten sitzen als Minister in der Regierung. Mahinda Rajapaksa ist Premierminister, Basil Rajapaksa Finanzminister und Chamal Rajapaksa Landwirtschaftsminister. Mit Namal Rajapaksa, Sohn des Premierministers, sitzt als Sportminister ein weiteres Familienmitglied im Kabinett.
Weitere Proteste für Sonntag geplant
Nach der Verhängung des Notstands warnte die US-Botschafterin die Regierung vor einem Missbrauch der Maßnahme. Sri Lanker hätte das Recht, friedlich zu protestieren, twitterte Botschafterin Julie Chung. Dies sei wesentlich für die demokratische Meinungsäußerung. "Ich beobachte die Situation genau und hoffe, dass die kommenden Tage Zurückhaltung von allen Seiten sowie die dringend benötigte wirtschaftliche Stabilität und Erleichterung für die Leidenden bringen werden."
Auch die Menschenrechtslage in Sri Lanka befindet sich laut den Vereinten Nation in einem "alarmierenden" Niedergang. Ein Ende Februar von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet veröffentlichte Report dokumentiert die Diskriminierung religiöser und ethnischer Minderheiten und das gezielte Vorgehen von Sicherheitskräften gegen zivilgesellschaftliche Gruppen.
Für Sonntag sind im ganzen Land weitere Demonstrationen geplant. Die Regierung hat deshalb die Militärpräsenz massiv ausgebaut und den Soldaten Sondervollmachten erteilt. Mehr und mehr schwer bewaffnete Soldaten wurden an Tankstellen und weiteren strategischen Punkten stationiert.