Kinder im Gazastreifen Schulstart zwischen Trümmern und Zeltstädten
Auch im Gazastreifen beginnt wieder die Schule, doch 85 Prozent der Schulgebäude wurden seit Kriegsbeginn zerstört. Viele Kinder lernen deshalb - so gut es geht - in Zelten.
Im Gazastreifen hat das neue Schuljahr begonnen, doch von einem normalen Start kann keine Rede sein. Der Unterricht findet im Zelt statt. Eine Herausforderung für Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte - wie Basma Abdul Majeed Fares Al-Gharra. Sie ist eine junge Mathelehrerin, früher hat sie in Gaza-Stadt gearbeitet. Jetzt ist sie in der sogenannten humanitären Zone im Südwesten des Gazastreifens.
"Das schwierigste ist das Wetter", sagt sie. "Es ist so heiß im Zelt, dass man es nicht aushält." Hinzu kämen der Sand und die mangelnde Sauberkeit. Trotz allem versuche sie zu unterrichten. Doch die Schülerinnen und Schüler müssten oft den Ort wechseln. "Ich komme von der Al Aksa-Universität, das ist weit." Außerdem fehle es an vielem. "Lehrmaterial, Ventilatoren, Internet und vieles andere. Das sind die Schwierigkeiten", sagt sie.
Tausende Schüler und Lehrer getötet
Die reinen Zahlen sind erschütternd: 85 Prozent aller Schulen im Gazastreifen sind zerstört oder schwer beschädigt. In vielen Schulgebäuden wird nicht unterrichtet, stattdessen suchen dort Vertriebene Schutz.
Die Schülerinnen und Schüler im Zelt haben schon ein ganzes Jahr verloren. Einer von ihnen ist Islam Mohammed Fawzi Abdeen. Vor dem Krieg hat er mit seiner Familie in Rafah gewohnt. Dann wurde er vertrieben. "Ich träume davon, Arzt zu werden", erzählt er. "Und um meinen Traum, mein Ziel zu erreichen, lerne ich." In der 8. Klasse sei er mit einem Schnitt von 99,9 Prozent noch der beste Schüler seiner Schule gewesen. Immerhin ist er am Leben. Tausende Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte wurden bislang im Gazakrieg getötet.
Wenige Plätze in Behelfsschulen
Vor dem Krieg gab es 625.000 Schülerinnen und Schüler. Der Gazastreifen hatte ein funktionierendes Schulsystem - 98 Prozent konnten lesen und schreiben. Jetzt können nur wenige die Behelfsschulen besuchen. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat Plätze für 30.000 Schülerinnen und Schüler geschaffen.
Mohammed ist 15 und froh, dass er einen Platz bekommen hat. Doch die Unruhe begleitet ihn. Er sei nervös und habe Angst vor dem, was komme. "Ich frage mich, wann der Krieg endet. Und dann trifft mich der Verlust meiner Verwandten und meiner Lieben. Da wo ich jetzt bin, das ist nicht mein Ort und nicht mein Zuhause."
Für die Lehrerin Basma Al-Gharra ist es schwierig, den Unterricht vorzubereiten. Materialien wie Schulbücher oder Papier gibt es kaum. Und auch das Internet funktioniert nicht immer. Dieses Jahr sei alles anders, sagt sie. Das Unterrichten in einem Zelt sei herausfordernd. "Aber Gott sei Dank, beginnt nun der Unterricht. Es gibt mehr reguläre Stunden. Und wir unterrichten den gesamten palästinensischen Lehrplan."
Basma Al-Gharra hofft, dass Ihre Schüler mal Ärzte werden, Rechtsanwältinnen oder Lehrer. Sie hofft, dass sie einmal etwas Gutes für die Gesellschaft tun. Die Frage ist nur, für welche Gesellschaft? Denn Gaza liegt in Trümmern und ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.