Ukraine-Krieg Scholz fordert klare Kante von Vietnam
Kanzler Scholz hat Vietnam aufgefordert, sich klar gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu positionieren. Das hat die Regierung in Hanoi bislang vermieden. Das Land pflegt enge Beziehungen zu Russland.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Vietnam aufgefordert, sich eindeutig gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu stellen. Er wünsche sich eine "klare Positionierung" der Regierung in Hanoi in dieser Frage, sagte Scholz nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Pham Minh Chinh in der vietnamesischen Hauptstadt. "Es handelt sich bei dem russischen Angriffskrieg um einen Bruch des Völkerrechts mit gefährlicher Präzedenzwirkung. Kleine Länder können nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn."
Der Kanzler sagte das auch mit Blick auf China, das im Südchinesischen Meer mit Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen um Inseln, Riffe und Meeresgebiete streitet. Die Regierung in Peking beansprucht dort auch Territorium, das mehr als 800 Kilometer entfernt liegt - obwohl das internationale Schiedsgericht in Den Haag 2016 chinesische Ansprüche als unrechtmäßig abgewiesen hat. "Auch in der Region des Indopazifiks muss die Stärke des Rechts gelten, nicht das Recht des Stärkeren", betonte Scholz. Eine klare Botschaft in Richtung Peking, wo der Kanzler erst vor gut einer Woche zu Besuch war.
Bewusster Kontrapunkt zur China-Reise
Mit seiner viertägigen Reise nach Südostasien - der längsten seiner Amtszeit - will Scholz nun einen Kontrapunkt setzen. Die Botschaft: Asien ist viel mehr als China. Das Ziel: Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China verringern und die Partnerschaften mit asiatischen Ländern breiter aufstellen. Anders als seine Vorgänger hatte Scholz deswegen auch den demokratischen G7-Partner Japan als erstes asiatisches Land besucht - und erst ein halbes Jahr später das autokratisch geführte China. Mit dem wirtschaftlich zweitstärksten Land Asiens - Indien - gab es im Mai in Berlin Regierungskonsultationen.
Vietnam mit seinen fast 100 Millionen Einwohnern zählt zu den am rasantesten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Südostasien. Deutschland müsse infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Absatzmärkte, Lieferketten, Rohstoffquellen und Produktionsstandorte breiter aufstellen, betonte Scholz in Hanoi. "Da spielt die Zusammenarbeit mit Vietnam eine ganz, ganz zentrale Rolle."
Enge Beziehungen Vietnams zu Moskau
Das kommunistisch geführte Land pflegt aber weiterhin auch enge Beziehungen zur Regierung in Moskau. Russland ist der wichtigste Waffenlieferant Vietnams. Beide Länder kooperieren auch bei der Erschließung von Gas- und Ölfeldern vor der vietnamesischen Küste. Außerdem gibt es in Vietnam mehr als 150 Investitionsprojekte mit Beteiligung russischer Unternehmen.
Vietnam hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor diesem Hintergrund - anders als die große Mehrheit der UN-Mitglieder - bisher nicht verurteilt, sondern sich in Abstimmungen dazu in der Generalversammlung der Vereinten Nationen enthalten. Scholz hat auf seinen Reisen und bei Gesprächen in Berlin immer wieder versucht, diese Länder umzustimmen.