Krieg im Nahen Osten Dutzende Tote bei Angriff auf Flüchtlingslager
Bei einem israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager Dschabalia im Gazastreifen sind mindestens 50 Menschen getötet worden. Das melden sowohl die Hamas als auch das israelische Militär. Laut Israel waren die Opfer Mitglieder der Terrormiliz.
Bei israelischen Angriffen auf das Flüchtlingslager Dschabalia im Norden des Gazastreifens sind israelischen und palästinensischen Angaben zufolge zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Israels Armee teilte mit, Bodentruppen hätten rund 50 Terroristen getötet. Auch Flugzeuge seien im Einsatz gewesen. Der Großangriff habe der Infrastruktur der Hamas gegolten, die auch zivile Gebäude übernommen habe.
Militärsprecher Daniel Hagari sagte, eine unterirdische Hamas-Anlage unter einem Gebäude sei eingestürzt und habe andere Häuser in der Nähe einbrechen lassen. Infolge des Angriffs seien auch Tunnel eingestürzt. Bei dem Einsatz sei Hamas-Kommandeur Ibrahim Biari getötet worden, der unter anderem an den Hamas-Massakern im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober beteiligt gewesen sein soll.
Ein Arzt des Kamal-Adwan-Krankenhauses im nördlichen Gazastreifen gab die Zahl der Toten mit mindestens 35 an, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Zudem seien mehr als 200 Verletzte in die Klinik eingeliefert worden. Auf zivile Opfer in Dschabalia angesprochen, sagte ein Sprecher der israelischen Armee dem US-Fernsehsender CNN: "Das ist die Tragödie des Krieges."
Hamas spricht von mehreren getöteten Geiseln
Nach Angaben des von der militant-islamistischen Terrormiliz Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden bei dem Angriff mindestens 50 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. Es würden aber noch weitere Tote unter den Trümmern vermutet.
Die Hamas erklärte, unter den Getöteten seien auch sieben der von ihnen aus Israel verschleppten Geiseln, drei mit ausländischen Pässen. Bei dem Angriff auf Israel hatte die Terrororganisation mindestens 240 Menschen verschleppt.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Harsche Kritik aus arabischen Staaten
Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Iran verurteilten Israel wegen des Angriffs scharf. Der iranische Außenamtssprecher Nasser Kanaani sprach von einer "brutalen Attacke" und warf dem Erzfeind der Islamischen Republik Kriegsverbrechen vor, wie aus einer Erklärung des Ministeriums hervorgeht.
Die Regierung Katars sagte, es habe sich um "ein neues Massaker an dem wehrlosen palästinensischen Volk" gehandelt, vor allem an Frauen und Kindern.
Saudi-Arabien erklärte, es verurteile die "inhumane Invisiernahme des Lagers Dschabalia durch israelische Besatzungstruppen aufs Schärfste". Vor dem Krieg hatte die Führung in Riad noch eine mögliche Normalisierung der Beziehungen mit Israel geprüft.
Die Vereinigten Arabischen Emirate warnten, dass "willkürliche Attacken irreparable Auswirkungen in der Region nach sich ziehen" würden. 2020 hatten die Emirate und Israel volle diplomatische Beziehungen aufgenommen.
Reaktionen aus Südamerika
Bereits am Dienstag hatte Bolivien seine diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen und dem Land vorgeworfen, mit seinen Angriffen auf den Gazastreifen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Wegen israelischer Angriffe auf den Gazastreifen hatte Boliven bereits 2009 die diplomatischen Beziehungen gekappt, 2020 aber wieder aufgenommen. Chile und Kolumbien beorderten ihre Botschafter für Konsultationen zurück.
Fortgesetzter Raketenbeschuss auf Israel
Israel hatte nach eigenen Angaben am Dienstag insgesamt mehr als 300 Ziele im Gazastreifen angegriffen, darunter auch Rampen zum Abschuss von Raketen. Dennoch hatte es am Abend wieder Raketenalarm gegeben - auch im Großraum Tel Aviv wurden Raketen aus dem Gazastreifen von der israelischen Luftabwehr abgefangen.
Raketenalarm gab es auch im Süden Israels, in Eilat am Roten Meer. Zahlreiche Menschen flüchteten dort in die Schutzräume. Später hieß es, Israels Armee habe zwei Angriffe mit Drohnen und Raketen aus dem Jemen abgewehrt. Insgesamt verzeichnete die israelische Zivilschutzapp - wie bereits in den vergangenen Tagen - Dutzende Luftalarme in mehreren israelischen Ortschaften und Städten.
Erneuter Guterres-Appell
UN-Generalsekretär António Guterres forderte die israelische Armee und die Terrororganisation erneut auf, dem Schutz von Zivilisten oberste Priorität zu geben. Die Menschenrechte dürften nicht ignoriert werden, so Guterres in New York. Bei den Kämpfen müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Guterres forderte zudem erneut einen humanitären Waffenstillstand sowie ungehinderten Zugang für Hilfskräfte in den Gazastreifen.
Israel greift Gaza seit dem 7. Oktober als Reaktion auf ein von Hamas-Terroristen verübtes Massaker auf seinem Staatsgebiet an. Dabei wurden etwa 1.400 Israelis ermordet - die meisten von ihnen Zivilisten. Etwa 200 Menschen wurden von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt.
Mit Informationen von Jan-Christoph Kitzler, ARD-Studio Tel Aviv