Explosionen im Libanon Pager-Detonationen als Teil einer größeren Aktion?
Die fast zeitgleiche Explosion Tausender Pager im Libanon lässt auf eine lange geplante Aktion schließen. Vermutet wird dahinter der israelische Geheimdienst Mossad. Aber warum erfolgte die Aktion ausgerechnet jetzt?
Nach der Explosion Tausender Pager - tragbarer Funkempfänger - im Libanon und auch in Syrien wird das Ausmaß immer klarer: Libanesische Quellen sprechen inzwischen von zwölf Toten und fast 3.000 Verletzten. Das dortige Gesundheitssystem gilt angesichts zahlreicher Notoperationen an Augen und Extremitäten als überlastet. Und am Tag danach haben weitere Explosionen viele weitere Menschen verletzt.
Die offenbar gezielte und koordinierte Aktion richtete sich gegen Mitglieder der Hisbollah, die über die Geräte kommuniziert haben, auch weil die Pager im Gegensatz zu Mobiltelefonen weniger leicht zu orten sind.
Offenbar Sprengstoff in den Piepern
Von mehreren Ländern, unter anderem Iran, aber auch Irland, wird Israel für den Angriff verantwortlich gemacht. Doch die Regierung in Jerusalem schweigt dazu. Zugetraut wird die offenbar lange vorbereitete Aktion beispielsweise dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad.
Die Geräte sollen bereits vor der Einfuhr in den Libanon mit einer Ladung Sprengstoff manipuliert worden sein, die offenbar groß genug war, um für schwere und auch tödliche Verletzungen zu sorgen.
Mehrere Medien haben versucht, die Lieferkette der Geräte zu rekonstruieren, die die Hisbollah offenbar erst vor wenigen Monaten angeschafft hatte: Demnach stammt die Marke aus Taiwan. Das Unternehmen gibt die Verantwortung aber einer ungarischen Firma, die erst seit 2022 besteht.
Drohte die Aktion aufzufliegen?
Spekulationen gibt es auch darüber, warum der Angriff ausgerechnet jetzt erfolgte und damit in einer Zeit höchster Spannungen zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz. Diese hat nach israelischen Angaben seit Beginn des Gaza-Kriegs etwa 8.000 Drohnen und Raketen aus dem Libanon abgefeuert. Israels Luftwaffe fliegt fast tägliche Angriffe, beiderseits der Grenze gab es Tote und Verletzte, auf beiden Seiten wurden zehntausende Menschen in Sicherheit gebracht.
Ein Erklärungsversuch besagt, dass die Manipulation der Geräte von langer Hand geplant war. Die Explosionen sollten eigentlich zum Auftakt einer israelischen Großoffensive gegen die Hisbollah eingesetzt werden. Die Aktion habe demnach aber offenbar kurz davor gestanden, aufgedeckt zu werden. Nach dem Motto "Jetzt oder nie" seien die Pager dann vorzeitig zur Explosion gebracht worden, ansonsten wäre die ganze Aktion in Gefahr gewesen.
Evakuierte Israelis sollen wieder zurückkehren
Israels Sicherheitskabinett hatte erst vor wenigen Tagen beschlossen, auch die Rückkehr von evakuierten Israelis in Ortschaften nahe der Grenze zum Libanon in die Reihe der Kriegsziele mitaufzunehmen. In den Augen von Sicherheitsexperten liegt dem die Erkenntnis zugrunde, dass Israels Armee auch im Libanon einen großangelegten Einsatz wird durchführen müssen.
In den letzten Monaten haben sich Truppen bereits auf ein solches Szenario vorbereitet, die militärische Führung hat schon vor Längerem entsprechende Einsatzpläne genehmigt. Tatsächlich ist die politische Entscheidung über den Beginn eines solchen Einsatzes aber offenbar noch nicht gefallen.
Kommt die große Eskalation?
In Israel wird derweil auch darüber diskutiert, ob das Land nach fast einem Jahr Krieg im Gazastreifen überhaupt für eine große Eskalation mit der Hisbollah im Norden bereit ist. In der Vergangenheit waren die israelischen Streitkräfte eher für kurze aber heftige Einsätze bekannt. Tatsächlich sind die Truppen seit Oktober 2023 in einem Krieg an mehreren Fronten gebunden, an dem auch Hunderttausende Reservisten beteiligt sind und der von manchen als Zermürbungskrieg bezeichnet wird.
Im Libanon besteht Israel auf der Durchsetzung der völkerrechtlich verbindlichen UN-Resolution 1701, die eine demilitarisierte Zone bis zum Litani-Fluss, 20 bis 30 Kilometer nördlich der Demarkationslinie, vorsieht. Doch Militärexperten warnen, dass sich ein Einsatz der israelischen Truppen nicht auf dieses Gebiet begrenzen lassen dürfte. In den vergangenen Wochen hatte Israel immer wieder Ziele in der mehr als 100 Kilometer nördlich gelegenen Bekaa-Ebene angegriffen, aber auch in Beirut.
Morgen wird auch in Israel mit Spannung eine Rede von Hassan Nasrallah erwartet, dem Generalsekretär der Hisbollah. Zuletzt hatte er sich zwar in markigen Worten geäußert, doch schien die Hisbollah bisher einen großen Angriff auf Israel und damit eine große Eskalation noch vermeiden zu wollen.
Ob das nun so bleibt, ist offen. Möglicherweise könnte dieser Schlag gegen die Hisbollah zu groß gewesen sein. Israels Armee ist in Alarmbereitschaft, es wurden weitere Truppenkontingente in den Norden verlegt.