Vorgezogene Abstimmung Kasachstan wählt Parlament neu
Erstmals seit 20 Jahren treten bei den Parlamentswahlen in Kasachstan auch unabhängige Kandidaten an. Doch echte Konkurrenz zu Präsident Tokajew sei nicht zugelassen, kritisieren Experten.
Im zentralasiatischen Kasachstan sind die Bügerinnen und Bürger aufgerufen, das Nationalparlament sowie Regional- und Kommunalvertretungen zu wählen. Das an China und Russland grenzende Land steht weiterhin unter dem Eindruck der Proteste aus dem vergangenen Jahr. Präsident Kassym-Schomart Tokajew ließ diese vielerorts - auch mithilfe russischer Truppen - niederschlagen. Als Folge der Ausschreitungen wurden mehr als 200 Menschen getötet. Kritiker werfen dem als autoritär geltenden Tokajew vor, er wolle durch die vorzeitigen Wahlen in erster Linie seine eigene Macht festigen.
Der 69-Jährige ließ sich im vergangenen November mit mehr als 80 Prozent bei einer - ebenfalls vorgezogenen - Präsidentenwahl im Amt bestätigen und setzte dann die Neuwahl für die Parlamente an. Im Vorfeld der Abstimmungen brachte er mehrere Reformen auf den Weg und stellte einen Demokratisierungsprozess in Aussicht. Doch Wahlbeobachter kritisieren Defizite bei Presse- und Meinungsfreiheit. Zudem wurde zahlreichen Oppositionsparteien eine Teilnahme an der Wahl untersagt.
Fünf-Prozent-Hürde und Quote
Der unabhängige kasachische Politologe Dimasch Alschanow wirft dem Machtapparat zudem vor, kaum Konkurrenz zugelassen zu haben: Neben der Regierungspartei Amanat seien auch die übrigen sechs antretenden Parteien weitgehend regierungstreu, sagte Alschanow im Interview der Nachrichtenagentur dpa. "Deshalb denke ich, dass das Parlament weiterhin zu um die 90 Prozent aus Abgeordneten bestehen wird, die Tokajew gegenüber loyal sind", prognostizierte er.
Internationale Wahlbeobachter loben aber auch einige Neuerungen - darunter etwa das Herabsenken der Hürde für einen Einzug ins Parlament von sieben auf fünf Prozent und die Zulassung von parteilosen Kandidaten. Erstmals seit fast 20 Jahren treten unabhängige Kandidaten zur Wahl an. Zuvor saßen im Unterhaus nur Mitglieder dreier regierungsfreundlicher Parteien. Zudem wurde eine Quote von 30 Prozent für Frauen, junge Menschen und Menschen mit Behinderungen eingeführt. Auch werden nun etwa alle 98 Abgeordneten des kasachischen Unterhauses (Maschilis) direkt vom Volk gewählt.
Hohe Polizeipräsenz
In Almaty, der größten Stadt Kasachstans, die normalerweise die größte Unterstützung für die Opposition zeigt, verlief die Abstimmung am Morgen laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters langsam. Die Polizeipräsenz auf den Straßen ist den Angaben zufolge hoch.
Tokajew, der am frühen Morgen seine Stimme in Astana abgab, ohne mit der Presse zu sprechen, sagte, die Abstimmung würde es ihm ermöglichen, mit der Umsetzung seines Plans zu beginnen, das Land zu reformieren und eine gerechtere Verteilung seines Ölreichtums sicherzustellen.
Die Wahllokale in der Ex-Sowjetrepublik, in der zwei Zeitzonen gelten, öffneten am Morgen und schließen um 20 Uhr Ortszeit (15 beziehungsweise 16 Uhr MEZ). Der Nachrichtenagentur AFP zufolge sind zwölf Millionen Menschen wahlberechtigt.
Verbindung zu Russland
Der Abschluss des politischen Übergangs dürfte auch Tokajews Position in der Außenpolitik stärken. Obwohl er während der Unruhen von 2022 die Unterstützung Moskaus erhielt, weigerte er sich, Russlands Invasion in der Ukraine zu unterstützen oder die Annexion einiger ukrainischer Gebiete anzuerkennen.
Gleichzeitig versucht Astana, gute Beziehungen sowohl zu Moskau, seinem Nachbarn und wichtigsten Handelspartner, als auch zum Westen aufrechtzuerhalten. Ungleichheit und Korruption im größten Land Zentralasiens dauern zudem an und die Inflation schränkt die Kaufkraft der fast 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ein.
Im Januar 2022 hatten sich in dem ölreichen Land, das unter anderem an Russland und China grenzt, Proteste gegen hohe Preise und soziale Ungerechtigkeit in einen beispiellosen Machtkampf zwischen kasachischen Eliten umgewandelt. Tokajew ging als Sieger hervor und entmachtete den bis dahin immer noch sehr einflussreichen Ex-Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew.