Verkehrsprobleme in Tel Aviv Eine neue Bahn als Politikum
Eine neue Bahn soll die Verkehrsprobleme in Tel Aviv lösen. Für Israel ist es der Abschluss eines Prestigeobjektes. Doch weil die Bahn nicht am Shabbat fahren soll, ist sie bereits vor ihrem Start ein Politikum.
An dieses Geräusch auf den Straßen Tel Avivs müssen sich die Autofahrer und Fußgänger künftig gewöhnen. In der staugeplagten israelischen Metropole fährt künftig die erste von drei geplanten Dankal-Linien. Der Dankal ist eine Mischung aus einer U-Bahn und einer Tram, fährt mal oberirdisch, mal unter der Erde.
Haim Glick gilt als einer der Väter des Projekts. Der Vorstandschef der staatlichen Planungsgesellschaft war bei der Probefahrt schier aus dem Häuschen. "Dieses Projekt ist für mich ein großer Traum", sagt er. "Für mich und für die israelische Gesellschaft. Ich träume jeden Tag und jede Nacht davon. Es ist ein sehr schöner Tag für uns."
Dringend benötigte Verkehrsentlastung
Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Tel Aviv ist dringend geboten. In einem OECD-Ranking aus dem Jahr 2018 zur Verkehrsbelastung in Städten lag Tel Aviv bereits auf Rang fünf. Schlimmer war es nur in Mega-Citys wie Manila, Bogotá, Jakarta und Sao Paulo. Der Start der Bahn in Tel Aviv sollte also ein Tag der Freude sein.
Dennoch wurde noch vor Beginn der Jungfernfahrt auf den Schienen demonstriert. Der Grund: Die Dankal-Bahn soll nicht am Shabbat fahren und in den Depots bleiben, was angesichts der aktuellen politischen Diskussion Bürger wie Etay Eshkol als Diskriminierung werten.
Die Teile der Bevölkerung, die nicht jüdisch oder nicht religiös sind, werden benachteiligt. Aber auch die jüdische Bevölkerung, die den öffentlichen Nahverkehr am Shabbat möchte, weil sie sich kein privates Auto leisten kann, wird von dieser Regierung benachteiligt. Dass der Zug nicht am Shabbat fährt, trifft die Schwächsten in der Bevölkerung.
"Wir sind ein jüdischer Staat"
Die Bahn, die den Großraum Tel Aviv vom Autoverkehr entlasten soll, ist damit zum Politikum geworden. Und für die Teile der Bevölkerung, die jede Woche gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung auf die Straße gehen, ist sie nur ein weiterer Beleg der Benachteiligung säkularer Israelis. Ein Vorwurf, den Israels Transportministerin Miri Regev so nicht stehen lassen will.
Es gebe einen Status quo, was den Verkehr anbelangt, so Regev. "An den Wochentagen finden Handel und Arbeit statt, aber der Shabbat ist ein Tag der Ruhe." Das gelte für die Religiösen, aber auch für die, die nicht religiös sind. Für sie sei es ein sozialer Tag. "Wir sind ein jüdischer Staat und haben einen Status quo, und wir beachten ihn auch bei der Straßenbahn."
Bahn ist ein Prestigeobjekt
Trotz aller Kritik: Für Israel ist die neue Bahn im Großraum Tel Aviv ein riesiges Prestigeprojekt. 28 Jahre wurde geplant, acht Jahre dauerte der Bau. Die Kosten: umgerechnet rund fünf Milliarden Euro. Weitere zwei Linien sollen in den kommenden Jahren fertiggestellt werden. Für Israels Premier Benjamin Netanyahu, dem politisch so sehr der Gegenwind ins Gesicht bläst, ist es ein tiefer Moment der Befriedigung.
"Es gab immer Hindernisse, wir haben sie bewältigt", so Netanyahu. "Trotz aller Kritik haben wir die Wirtschaft geöffnet, wir haben das Gas aus dem Meer gefördert, wir haben den Grenzzaun zu Ägypten gebaut, und wir haben Frieden mit arabischen Staaten geschlossen. Und wir werden auch das Palästinenserproblem lösen." Man habe all dies erreicht, und nun vernetze die Regierung das Land. "Wir verbinden zwischen den Städten, innerhalb der Städte und zwischen den Ländern. Ein großer Erfolg für den Staat Israel, ein Feiertag."