Lebensmittel für Gaza Siedler greifen Hilfslieferungen an
Radikale Siedler im Westjordanland wollen verhindern, dass Hilfslieferungen die Bevölkerung im Gazastreifen erreichen. Deshalb greifen sie immer häufiger Lkw an, die Hilfsgüter transportieren.
Fast jeden Tag gibt es jetzt diese Vorfälle, fast jeden Tag werden Lkw, die aus Jordanien Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen, von israelischen Siedlern angegriffen.
Es geschieht im Westjordanland: Auf den Videos in den sozialen Netzwerken sieht man mal einen brennenden Lkw, mal wird ein Fahrer verletzt. Immer geht es darum, Nahrungsmittel zu vernichten, die dann auf der Straße landen.
Neuerdings sind auch Friedensaktivisten an den Checkpoints, um die Transporte zu sichern und Fälle dieser Siedlergewalt zu dokumentieren.
Den Siedlern geht es um die Hamas
"Keine Nahrungsmittel für die Hamas" ist das Motto der Siedler. Uri Weltman, einer der Aktivisten, sieht das anders. Er sagt, die humanitäre Katastrophe in Gaza sei furchtbar. Sie betreffe vor allem Zivilisten und auch die israelischen Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden. Wenn es Hunger in Gaza gebe, dann würden auch sie hungern.
Auch für die Lkw-Fahrer ist es derzeit gefährlich. Nicht nur, weil die Hamas in der vergangenen Woche immer wieder auf Kerem Schalom, den für die Transporte wichtigsten Grenzübergang zum Gazastreifen, mit Raketen geschossen hat. Abu Omar, ein palästinensischer Fahrer, spricht offen von seiner Angst. Denn die Siedler, so sagt er, könnten überall angreifen. Sie hätten WhatsApp-Gruppen und könnten in 15 bis 20 Minuten 100 bis 150 Menschen zusammentrommeln.
In den vergangenen Tagen hat man deshalb Konvois von Lkw gesehen, die zum Teil auch von Sicherheitskräften begleitet wurden. Abu Omar sagt, wenn er allein unterwegs sei, versuche er, Nebenstraßen zu nehmen und die Hauptstraße zu vermeiden.
Cindy Cohen, eine Aktivistin, ist an diesem Tag schon ziemlich fertig mit den Nerven. Sie steht am Checkpoint Tarqumiya. Die Gewalt, die sie erlebt, regt sie auf. Später am Tag wird sie noch Lebensmittel von der Straße sammeln, die die Siedler vom Lkw gestoßen haben. Sie hofft, dass sie doch noch ankommen in Gaza. Es mache sie sauer, so sagt sie, zu sehen, das Menschen humanitäre Hilfe aufhielten, damit andere Menschen hungern, die Nachbarn seien.
Kritik auch aus den USA
Es gibt inzwischen auch internationalen Protest, weil es keine Einzelfälle mehr sind, weil die Siedler gut organisiert sind und offenbar systematisch vorgehen.
Jake Sullivan, der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, war soeben in der Region, um über die Lage in Gaza zu sprechen. Nun kamen auch noch die Angriffe auf Hilfs-Lkw dazu:
Es ist empörend, dass es Leute gibt, die diese Konvois angreifen und plündern, die aus Jordanien kommen, um humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen. Wir schauen auf die Instrumente, die wir haben, um darauf zu reagieren. Und wir tragen unsere Bedenken auf höchster Ebene der israelischen Regierung vor. Da gibt es keinen Zweifel, das ist ein völlig inakzeptables Verhalten.
Ein Ausdruck von Demokratie?
Ob diese Kritik bei der israelischen Regierung ankommt, muss zumindest teilweise bezweifelt werden. Itamar Ben Gvir ist Minister für Nationale Sicherheit und damit zuständig für die Polizei, die die Lkw mit den Hilfslieferungen für Gaza eigentlich schützen müsste.
Vor zwei Tagen sagte er im israelischen Channel 13, das sei Demokratie. Er könne es zwar nicht gutheißen, wenn Lkw in Brand gesteckt würden oder es Gewalt gebe. Aber es gebe das Recht, zu demonstrieren.
Im Übrigen schäme er sich dafür, dass er der Einzige war, der im Kabinett gegen die Hilfslieferungen gestimmt habe.
Israel betont immer wieder seine großen Bemühungen, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen und tatsächlich hatte sich die Zahl der Lkw, die in das Gebiet kamen, zwischenzeitlich erhöht.
Dennoch leiden dort aber nach UN-Angaben immer noch Hunderttausende an Hunger - während radikale Siedler schon planen, in den nächsten Tagen weitere Lkw anzugreifen.