Knesset vertagt Abstimmung Israels Regierung vor dem Aus?
Israels Acht-Parteien-Regierung ist ein Jahr im Amt. Doch das Bündnis von Ministerpräsident Bennett steckt nach Anfangserfolgen in einer tiefen Krise. Es ist unklar, ob es weitermachen kann.
Ein national-religiöser jüdischer Abgeordneter und ein arabischer Parlamentarier schreien sich an. Das Besondere: Die beiden sind Koalitionspartner. Die Szene kann beispielhaft für die innere Verfassung des israelischen Regierungsbündnisses nach einem Jahr im Amt stehen. Die Koalition, gebildet von acht Parteien aus fast allen politischen Lagern des Landes, inklusive einer arabischen Gruppierung, scheint am Ende und verlor vor einigen Tagen eine wichtige Abstimmung, weil gleiche mehrere Abgeordnete mit der Opposition stimmten oder sich ganz enthielten.
Eine eigene Parlamentsmehrheit hat das Bündnis von Premier Naftali Bennett schon seit Monaten nicht mehr, nachdem eine Parlamentarierin aus seiner national-religiösen Jamina-Partei der Koalition die Unterstützung entzog. Gleich mehrere andere Abgeordnete aus verschiedenen Lagern sind Wackelkandidaten. "Entscheidet euch", appellierte Außenminister Jair Lapid, der zusammen mit Bennett der Architekt des Bündnisses ist.
Wer denkt, er kann mit dieser Koalition nicht leben, sollte gehen. Und wer denkt, er kann mit ihr leben, der soll sich ihr verpflichten. Man kann aber nicht beides tun. Das sage ich allen Mitgliedern der Koalition. Wir sind in einer schwierigen Phase, die wir aber überstehen können und ich bin sicher, dass wir noch lange weitermachen können.
Wird Lapid noch übernehmen?
Lapid ist auch alternierender Premierminister. Er soll dem Koalitionsvertrag zufolge im Sommer nächsten Jahres das Amt des Regierungschefs von Bennett übernehmen. Doch daran muss angesichts des Zustands der Koalition gezweifelt werden. Auch Amnon Abramovich, politischer Kommentator des Senders Kanal 12, rechnet mit einem Scheitern der selbst ernannten Regierung des Wandels:
Es steht außer Frage, dass die Koalition in der Notaufnahme liegt. Keiner weiß, ob sie überlebt und wenn ja, wie lange. Was ihre Bilanz betrifft, muss man zugeben, dass es eine gute Regierung ist, die Dinge durchsetzt, die zuvor liegen gelassen wurden.
"Regierung darf nicht scheitern"
Nach jahrelangem innenpolitischem Chaos unter Benjamin Netanyahu, dem Premier unter Korruptionsanklage, brachte die Regierung Bennett Israel zunächst innenpolitische Stabilität. Das Land kam gut aus der Coronakrise heraus, verzeichnet acht Prozent Wirtschaftswachstum.
Bennett nennt die Regierung unter seiner Führung die beste, die Israel jemals hatte. "Diese Regierung hat das Land von Lähmung zu Wachstum geführt, von Schwäche zu Abschreckung, von Chaos zu Normalität. Diese Regierung darf nicht scheitern. Sie muss weiter für Israel kämpfen."
Zu ungleich zum Weiterregieren?
Doch jetzt zeigt sich die zentrale Schwäche dieser Koalition. Sie kam nicht auf Basis inhaltlicher Schnittmengen zusammen, sondern um Netanyahu und seine national-konservative Likud-Partei von der Macht zu verdrängen. Auf Dauer scheinen die Partner in diesem Bündnis zu ungleich, um erfolgreich weiter regieren zu können. Vor allem zwischen dem rechten politischen Lager und der arabischen Raam-Partei wirken die Gräben zu tief für eine längere Zusammenarbeit.
Ob es gelingt, bis zum Monatsende ein Gesetz durchzubringen, dass den rechtlichen Status der jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten regelt, ist unsicher. Wenn die Opposition zusammen mit möglichen Koalitionsabweichlern noch in den nächsten Wochen ein Misstrauensvotum erfolgreich durchs Parlament bringt, wären Neuwahlen im Herbst die wahrscheinlichste Folge. Es wären die fünften Wahlen in rund drei Jahren. Umfragen zufolge kann Netanyahu auf eine Rückkehr an die Macht hoffen.