Nord- und Südlibanon Israel meldet weitere Angriffe auf Hisbollah-Ziele
Nach dem Tod von Hisbollah-Anführer Nasrallah ist seine Nachfolge weiter offen. Ein Kandidat könnte bei israelischen Angriffen im Libanon nun ebenfalls getötet worden sein - ebenso mehrere Mitglieder der Hamas.
Die Hisbollah im Libanon hat nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu einem hochrangigen Mitglied und möglichen Nachfolger des getöteten Anführers Hassan Nasrallah. Die Verbindung zu Hischam Safi al-Din sei seit israelischen Luftangriffen im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut "verloren" gegangen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Hisbollah-Vertreter.
Ob sich Safi al-Din an dem angegriffenen Ort aufgehalten habe oder "wer dort mit ihm zusammen gewesen ist", sei nicht bekannt, fügte der Vertreter hinzu. Auch der Nachrichtenkanal Al-Jazeera meldete unter Verweis auf Sicherheitskreise im Libanon und Kreise innerhalb der Miliz, dass die Hisbollah keinen Kontakt mehr mit Safi al-Din habe.
Die Hisbollah wies die Berichte dagegen als falsch zurück. Es gebe keine Kreise als Quellen innerhalb der Hisbollah, teilte die Organisation laut einer Meldung der Staatsagentur NNA mit. Nachrichten über den Zustand "einiger ranghoher Hisbollah-Vertreter" seien falsch und "wertlose Gerüchte".
Als Nachfolger Nasrallahs gehandelt
Safi al-Din ist Chef des Exekutivrats, der die Hisbollah in politischen, organisatorischen und sozialen Bereichen leitet, und damit eine der wichtigsten Figuren innerhalb der Führung. Er ist zudem ein Cousin des bei einem israelischen Angriff südlich von Beirut getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah und wird als dessen Nachfolger gehandelt.
Das US-Nachrichtenportal Axios und das israelische Portal Ynet hatten zuvor unter Berufung auf israelische Regierungsvertreter berichtet, dass sich die israelischen Angriffe im Süden Beiruts gegen Safi al-Din gerichtet hätten. Die israelische Armee hatte diese Berichte nicht bestätigt.
Gegenseitige Angriffe gehen weiter
Unterdessen ging der gegenseitige Beschuss zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee weiter. Die Schiitenmiliz gab eine Erklärung ab, wonach sie erneut eine Raketensalve auf den Norden Israels abgefeuert habe.
In der Nähe der nordisraelischen Stadt Haifa sei zudem der israelische Militärstützpunkt Ramat David beschossen worden. Die Luftwaffenbasis ist rund 45 Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt. Die Hisbollah gab überdies an, im Südlibanon unweit der Grenze einen israelischen Panzer mit einer Rakete getroffen zu haben.
Israel bombardierte nach eigenen Angaben eine Moschee neben einem Krankenhaus im Südlibanon. In dem Gotteshaus sei eine Kommandozentrale der Hisbollah versteckt gewesen, teilte die Armee weiter mit. Von dort aus habe die Terrororganisation Angriffe auf israelische Soldaten und auf Israel geplant und ausgeführt.
Warnungen vorab verschickt
Die nationale libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete, auch das an die Moschee angrenzende Krankenhaus Salah Ghandour in der Stadt Bint Dschubail sei bei dem Angriff getroffen worden. Mindestens neun Mitglieder des medizinischen Personals seien verletzt worden. Das Personal des Krankenhauses sei zum größten Teil evakuiert worden. Über das Schicksal der Patienten wurde zunächst nichts bekannt.
Die israelische Armee betonte, vor dem Angriff seien Warnungen an Anwohner und das Krankenhaus verschickt worden. Zudem habe es Gespräche mit Vertretern von Ortschaften gegeben, in denen die Hisbollah Krankenhäuser für militärische Zwecke missbraucht habe. Dabei sei gefordert worden, solche militärischen Aktivitäten in Krankenhäusern sofort zu beenden.
Nach Angaben der Armee zerstörten Bodentruppen im Südlibanon zudem weitere Tunnel der Hisbollah sowie Waffenlager. Bei unterirdischen Kampfeinsätzen seien Tunnelanlagen gesprengt worden, die Hisbollah-Terroristen genutzt hätten, um sich der Grenze zu Israel zu nähern, hieß es.
Erstmals Luftangriff im Norden des Libanon
Nach libanesischen Angaben hat die israelische Armee auch erstmals Ziele im Norden des Libanons angegriffen. Bei dem Bombardement eines palästinensischen Flüchtlingslagers in Tripoli sei ein hochrangiger Vertreter der Hamas, seine Frau und zwei Kinder getötet worden, hieß aus libanesischen Sicherheitskreisen.
Die Hamas bestätigte nach den Luftangriffen den Tod von Saeed Atallah. Dabei habe es sich um einen Anführer der Al-Kassam-Brigaden gehandelt, dem militärischen Arm der Terrororganisation. Nach deren Angaben sei zudem mit Mohammed Hussein al-Luise ein weiteres Mitglied der Brigaden getötet worden.
Das israelische Militär teilte mit, zwei Angehörige der Al-Kassam-Brigaden seien im Libanon getötet worden, nannte aber andere Namen: Muhammad Hussein al-Mahmud und Said Alaa Naif Ali.
Israels Armeechef: Keine Zugeständnisse an Hisbollah
Den Druck auf die Hisbollah will Israel auch nach den neuerlichen Angriffen aufrechterhalten. Armeechef Herzi Halevi kündigte erneut ein entschiedenes Vorgehen gegen die Miliz an. "Wir müssen weiterhin Druck auf die Hisbollah ausüben und dem Feind weiteren und kontinuierlichen Schaden zufügen, ohne Zugeständnisse und ohne Ruhepause für die Organisation", sagte der israelische Generalstabschef nach Angaben der Armee.
UN: Fast 1.700 Tote im Libanon innerhalb eines Jahres
In den vergangenen Wochen hat sich der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah deutlich verschärft. Nach massiven Luftangriffen auf Ziele der mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verbündeten Schiitenmiliz verkündete das israelische Militär den Beginn eines "begrenzten Bodeneinsatzes" im Süden des Libanon.
Im Libanon wird nach UN-Angaben die humanitäre Krise immer größer. Mehr als eine halbe Million Menschen seien inzwischen auf der Flucht, 285.000 hätten seit dem 23. September das Land verlassen, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA. Die Zahl der konfliktbedingten Todesfälle sei innerhalb der vergangenen zwei Wochen um 200 Prozent gestiegen, die der Vertriebenen um 385 Prozent.
Stand 3. Oktober seien innerhalb eines Jahres mindestens 1.700 Menschen durch den Konflikt zwischen Israel und der proinranischen Hisbollah-Miliz gewaltsam ums Leben gekommen, berichtete OCHA unter Berufung auf das libanesische Gesundheitsministerium. Fast 10.000 Menschen seien verletzt worden .Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR registrierte nach OCHA-Angaben in Syrien 185.000 Ankömmlinge. Mindestens 4.000 Libanesen seien nach Berichten zudem in den Irak geflüchtet.