Protest gegen Justizreform in Israel "Der Staat ist nicht euer Spielzeug"
In Israel haben Zehntausende gegen die geplante Justizreform protestiert. Die rechte Regierung um Premier Netanyahu will das Rechtssystem überarbeiten und den Obersten Gerichtshof schwächen. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr.
Zehntausende Menschen haben am Abend in Israel gegen die Rechtsregierung von Benjamin Netanyahu demonstriert. Die Proteste richten sich vor allem gegen Pläne des Justizministers Jariv Levin, das Justizsystem zu schwächen.
Medien: 80.000 Menschen in Tel Aviv
Es war die bisher größte Demonstration gegen die neue Regierung, die Ende Dezember vereidigt worden war. Demonstriert wurde etwa in den Städten Haifa und Jerusalem - vor allem aber in Tel Aviv. Dort beteiligten sich nach israelischen Medienberichten, die sich auf die Polizei bezogen, etwa 80.000 Menschen.
Zehntausende Menschen beim Protest im Stadtzentrum von Tel Aviv.
"Der Staat ist nicht euer Spielzeug"
Die Proteste in Telv Aviv begann im Stadtzentrum auf dem Platz vor dem Nationaltheater Habima. Anschließend zogen die Demonstranten durch die Straßen und schwenkten dabei blau-weiße israelische Flaggen. "Demokratie", skandierten sie dabei immer wieder. "Der Staat ist nicht euer Spielzeug", stand auf einem Plakat.
Israels rechtsextremer Polizeiminister, Itamar Ben-Gvir, hatte zu Wochenbeginn ein hartes Vorgehen gegen Demonstrantinnen und Demonstranten angekündigt.
Will Netanyahu Verfahren entgehen?
Grund für die Proteste sind weitreichende Reformen im Justizsystem, die die Regierung von Ministerpräsident Netanyahu gerade plant. Der Ministerpräsident, der sich derzeit wegen Korruption vor Gericht verantworten muss, hat die Reform der Justiz in den Mittelpunkt seiner Agenda gestellt.
Dabei könnte Netanyahu selbst von einer Änderung der Justizregeln profitieren. Denn die könnten dem Ministerpräsidenten dabei helfen, einer Verurteilung wegen Korruption zu entgehen - oder sogar dafür sorgen, dass das Verfahren gegen ihn ganz eingestellt wird.
Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen
Eine Mehrheit im Parlament soll mit der Reform ein Gesetz verabschieden können - auch wenn es nach Ansicht des Höchsten Gerichts gegen das Grundgesetz verstößt. Damit hätte das Parlament die Befugnis, Gerichtsentscheidungen mit einfacher Mehrheit aufzuheben.
Justizminister Levin wirft dem Höchsten Gericht unterdessen eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Levin will die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. Dazu soll das Parlament die Kontrolle über die Ernennung von Richtern bekommen.
"Tödlicher Schlag" gegen Unabhängigkeit der Richter
Kritiker des Vorhabens sehen die israelische Demokratie durch die Reform in Gefahr. Führende Oppositionspolitiker, ehemalige Generalstaatsanwälte und der Präsident des Obersten Gerichtshofs haben sich gegen den Plan ausgesprochen.
Die Vorsitzende des Höchsten Gerichts in Israel, Esther Chajut, hatte am Donnerstag in einer ungewöhnlich scharf formulierten Ansprache vor einem "tödlichen Schlag" gegen die Unabhängigkeit der Richter gewarnt. Nach den geplanten Reformen wäre die demokratische Identität des Landes vollkommen entstellt, sagte sie. Levin warf Chajut daraufhin vor, sie stehe auf der Seite der Opposition.
Die Regierung des wiedergewählten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist die am weitesten rechts stehende Regierung, die Israel je hatte. Erstmals sind darin auch rechtsextreme Politiker vertreten.