Ein Jahr nach dem Gaza-Krieg Bauen, wo Raketen flogen
Vor einem Jahr begann im Gaza-Streifen der elftägige Krieg zwischen Israel, der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen. Heute wird dort, wo Raketen flogen, gebaut: Neue Wohnanlagen sollen das Leben der Bevölkerung verbessern.
Nour Udwan ist Projektingenieur der Vereinten Nationen. In den vergangenen rund eineinhalb Jahren haben er und sein Team in Deir el Balah im Zentrum des Gaza-Streifens eine neue Wohnanlage errichtet. Stolz steht der große Mann mit dem schwarzen Bart und dem weißen Bauhelm nun im Eingangsbereich eines in hellen Farben gestrichenen viergeschossigen Neubaus.
Vorbei an Malern, die noch das Treppenhaus streichen, geht er hinauf in den ersten Stock. Das hier ist eine Vierzimmerwohung, sagt Nour Udwan und geht in eines der Schlafzimmer. Wohnen werden in diesem Haus palästinensische Familien aus Deir el Balah, aus einem der Viertel, die aus Flüchtlingslagern entstanden sind.
Die Straßen dort sind schmal und zum Teil nicht befestigt. Viele der Häuser sind weder ans Strom- noch ans Abwassernetz angeschlossen. Für die Familien, die dort leben - mehrheitlich seit mehr als 70 Jahren -, ist das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge zuständig.
Projektleiter Nour Udwan zeigt eine der neuen Wohnungen.
Zehn Gebäude, 120 Wohnungen
"Der Plan sieht vor, die Straßen zu verbreitern und dafür Häuser abzureißen", erklärt Udwan. "Ziel ist die Infrastruktur im Lager zu verbessern und das Leben dort angenehmer zu machen."
Ein umfassender Plan der Vereinten Nationen sieht vor, die Lebensbedingungen in Deir el Balah und anderen Orten im Gaza-Streifen zu verbessern. Dafür müssen aber Häuser abgerissen und für deren Bewohner neue Unterkünfte errichtet werden. Sie bekommen die neuen Wohnungen als Kompensation - zehn Gebäude mit 120 Wohnungen sollen zum neuen Zuhause für rund 900 Menschen werden.
"All die Mängel, unter denen die Menschen in den Camps und im ganzen Gaza-Streifen leiden, versuchen wir hier zu vermeiden", sagt Projektingenieur Udwan. "Es gibt Lösungen für Abwasser, Trinkwasser, Warmwasser und es gibt zuverlässige Stromversorgung, entweder über das Netz oder über die Solarzellen."
Eine Straße im Flüchtlingslager Deir el Balah.
Geld von der staatlichen KfW-Bank
Eigentlich sollten die Wohnungen schon fertig sein, aber der Krieg zwischen Israel und der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen im Gaza-Streifen im vergangenen Jahr hat die Arbeiten zurückgeworfen. Zeitweise kamen keine Waren von Israel aus in das Küstengebiet, berichtet Udwan: "Nach dem Gaza-Krieg im Mai vergangenen Jahres wurde die Einfuhr sofort verboten, und wir mussten bei dem Projekt vier Monate Pause machen."
Vier Monate ruhte die Arbeit - nun ist der Rohbau des Neubaukomplexes fertig.
Darüber, dass die Materialien wirklich nur auf der Baustelle verwendet und nicht von der Hamas abgezweigt werden, muss genau Buch geführt werden. Nun sind die Arbeiten bald abgeschlossen. Die ersten künftigen Bewohner waren schon mal da. "Sie kamen nach Feierabend her und waren sehr zufrieden", sagt Udwan. Die Familien könnten es nicht erwarten, in die neuen Wohnungen zu ziehen.
Rund 4,3 Millionen Euro kosten die Neubauten. Finanziert hat das Ganze die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau. Projekte wie diese erhöhen nicht nur die Lebensqualität im überbevölkerten und verarmten Gaza-Streifen. Sie schaffen auch Arbeitsplätze, Perspektive und zumindest etwas Stabilität.