Irans neuer Präsident Neue Akzente durch Peseschkian?
Im Iran übernimmt Peseschkian in Kürze das Amt des Präsidenten. Eine grundlegend neue Außenpolitik ist von ihm allerdings nicht zu erwarten - aber hat er Spielraum für kleinere Kursänderungen?
Man mag darüber streiten, ob der Sieg von Massud Peseschkian in der Wahl um das Präsidentenamt eine Überraschung war. Die einen sagen, Irans Oberster Führer Ali Chamenei habe Peseschkian nur als Lockvogel eingesetzt, um die Menschen an die Wahlurne zu holen. Dass er durchmarschiert und gewinnt, sei nicht geplant gewesen.
Andere halten Wahl, Stichwahl und Peseshkians Erfolg für ein abgekartetes Spiel, um der anderen Seite zu beweisen, dass Wahlen im Iran demokratisch ablaufen. Auch solle Peseschkian als eine Art Ventil fungieren für den immensen Druck auf das Regime.
Chamenei gegenüber zeigt sich Peseschkian jedenfalls zu 100 Prozent loyal. Welche der beiden Theorien stimmt, oder ob es noch eine ganz andere Erklärung gibt - man wird es wohl nie erfahren.
Widerstand gegen Israel angekündigt
Beim Themenkomplex Gaza-Krieg/Libanon/Israel hat Peseschkian seine Position erst diese Woche sehr klar beschrieben: Der Iran werde auch weiter die libanesische Hisbollah-Miliz unterstützen und auch jeden Widerstand gegen das "illegitime Regime" in Israel. Das sei die grundlegende Politik seines Landes, so Peseschkian laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna in einer Botschaft an Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah.
Er dürfte aber gerade hier auch keinen anderen Spielraum haben. Denn die Regionalpolitik ist Sache der mächtigen Revolutionsgarden. Schon Peseschkians Vorgänger Ebrahim Raisi, der bei einem Hubschrauberabsturz im Mai ums Leben kam, hatte hier nichts zu melden. Ein Libanon-Krieg könnte Peseschkians Präsidentschaft verschlingen, schrieb ein iranischer Analyst auf X, denn das "Schlachtfeld" gehöre den Revolutionsgarden.
Eine breiter aufgestellte Außenpolitik?
In den vergangenen Jahren hat sich der Iran immer mehr Richtung China und Russland orientiert, untermauert beispielsweise durch ein Milliarden-Kooperationsabkommen mit Peking, das auf 25 Jahre angelegt ist. Für günstiges iranisches Öl investiert China beispielsweise in den Energiesektor, die Infrastruktur oder die Telekommunikation im Land.
Moskau setzt nicht nur im Ukraine-Krieg massenhaft Drohnen iranischer Bauart ein. Chamenei hat den russischen Machthaber Wladimir Putin vor ziemlich genau zwei Jahren auch herzlich empfangen, nicht zuletzt, weil der russische Konzern Gazprom versprochen hatte, mit 40 Milliarden Dollar iranische Gas- und Ölfelder zu entwickeln.
Möglicherweise könnte Peseschkian versuchen, den Kurs gen Osten etwas aufzuweichen. Er hatte angedeutet, internationale Beziehungen insgesamt breiter ausstellen und die zum Westen verbessern zu wollen. Dafür würde die zweite vorher genannte Theorie sprechen, der zufolge Peseschkian als Ventil fungieren soll.
Die Wirtschaft hat Priorität
Denn weit oben auf Peseschkians Agenda steht die Wirtschaft. Er muss - wie auch schon sein Vorgänger Raisi - alles dafür tun, damit nicht noch mehr Iranerinnen und Iraner in die Armut abstürzen, die Inflation nicht weiter davon galoppiert und der Wert der Währung Rial nicht noch absurder wird. Selbst beim Gemüsehändler kriegt man eine Rechnung über ein paar Millionen Rial.
Was das mit Außenpolitik zu tun hat? Viel, denn die Gründe für die wirtschaftliche Misere liegen zwar auch in Misswirtschaft und Korruption, aber auch in den internationalen Sanktionen. Die kamen schrittweise, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump 2018 das Atomabkommen aufgekündigt hatte, das den Iran davon abhalten sollte, eine Atombombe zu bauen.
Wie ernst Teheran tatsächlich an einem neuen Abkommen interessiert ist, ist schwer zu sagen. Der Westen wiederum hatte keine Chance mehr, Gespräche darüber zu rechtfertigen, nachdem das Regime die Proteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini seit Herbst 2022 brutal niedergeschlagen hatte.
Mit einem "unbeschriebenen Blatt" Peseschkian, der dazu noch unter der Flagge "Reformer" und "moderat" segelt, dürfte das leichter sein - auch das könnte möglicherweise zum Kalkül Chameneis gehören.
Mehr Chancen für neue Atomgespräche?
Der Teheraner Analyst Nader Karimijuni sieht das ähnlich. Und er setzt auf den früheren Außenminister Javad Sarif, nicht unbedingt wieder als Außenminister, aber als möglichen Berater Peseschkians. Sarif hatte sich im Wahlkampf für ihn engagiert.
Für neue Atomgespräche würde auch sprechen, dass Peseschkian Sarif hinter sich hat. Der war 2015 maßgeblich daran beteiligt, dass das Abkommen zustande kam. Sarif ist in der Materie und im Westen bekannt.
Schwache Beziehungen zu Machtzentren
Seit den Wahlen wird einmal mehr viel darüber diskutiert, wieviel Macht der iranische Präsident eigentlich hat. Die Iran-Expertin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik meint, er habe durchaus Handlungsspielraum.
Der hänge aber sehr stark von der Person und den Verbindungen zu gewissen Machtzentren im System ab, also zum Beispiel zu den Revolutionsgarden und natürlich zu Chamenei. Da sei Peseschkian aber nicht stark aufgestellt.
Und wenn Trump wiederkommt?
Neben dem Blick nach Teheran lohnt der Blick nach Washington, wo Trump möglicherweise vor einer Wiederwahl steht. Könnte Peseschkian als Feigenblatt dienen? Er könnte ein Mittel zum Zweck sein, um Washington den Schwarzen Peter zuzuschieben, nach dem Motto: der Iran wolle reden, verhandeln und sich öffnen - aber Trump blockiere.