Nach Hamas-Angriff Israel bereitet offenbar Großoffensive vor
Israels Premier Netanyahu hat der militant-islamistischen Hamas mit einer "fürchterlichen" Reaktion auf den Terror vom Wochenende gedroht. Der Gazastreifen wurde abgeriegelt, 300.000 Reservisten wurden mobilisiert.
Nach den verheerenden Angriffen von Hamas-Terroristen auf Israel mehren sich Anzeichen für eine bevorstehende Bodenoffensive Israels im Gazastreifen. Israel ordnete die komplette Abriegelung des nur 40 Kilometer langen und sechs bis zwölf Kilometer breiten Gebietes an, während die Armee 300.000 Reservisten mobilisiert.
"Was die Hamas erleben wird, wird hart und fürchterlich sein. Wir sind erst am Anfang", hatte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gesagt und Rache geschworen. "Was wir unseren Feinden in den kommenden Tagen antun werden, wird in ihnen für Generationen nachhallen."
Aufruf zur Flucht - Grenzübergang aber geschlossen
Die Menschen in Israel wurden angewiesen, sich mit ausreichend Nahrung, Wasser und Medikamenten einzudecken. Die Vorräte sollten mindestens 72 Stunden reichen, teilte das Militär mit.
Den Zivilisten im palästinensischen Gazastreifen, die sich vor den Luftangriffen in Sicherheit bringen wollen, hatte der Sprecher des Militärs, Richard Hecht zur Flucht nach Ägypten geraten. "Mir ist bekannt, dass der Grenzübergang Rafah immer noch offen ist", sagte Richard Hecht, Sprecher des Militärs, vor der Presse. "Jedem, der raus kann, würde ich raten, rauszugehen." Sein Büro revidierte diese Angaben nun: "Der Grenzübergang Rafah war gestern geöffnet, aber jetzt ist er geschlossen."
Militär: Zaun zum Gazastreifen wieder unter Kontrolle
Am Morgen konnte das israelische Militär nach eigenen Angaben auch die Kontrolle über den Grenzzaun zum Gazastreifen wiedererlangen. "Am vergangenen Tag kam kein einziger Terrorist über den Zaun herein", sagte Militärsprecher, Daniel Hagari, unter anderem der Zeitung "The Times of Israel" zufolge. Kampftechniker-Truppen arbeiteten daran, die Gebiete in der Nähe der Löcher im Zaun zu verminen, sagte er demnach weiter.
Gestern hatte das Militär bereits mitgeteilt, in den von der Hamas angegriffenen Orten im Süden wieder die Kontrolle zu haben. Es vermutet jedoch auch weiterhin, dass sich eine geringe Anzahl Hamas-Terroristen auf israelischem Boden befindet. Die islamistisch-militante Hamas hatte den Zaun am Wochenende durchbrochen und war unter anderem so in Israel eingedrungen.
Westliche Regierungschefs telefonieren
Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien versicherten dem angegriffenen Land gemeinsam ihre Solidarität. Zusammen würden "unsere unerschütterliche und vereinte Unterstützung" für Israel zum Ausdruck gebracht "und die Hamas und ihre schrecklichen Terrorakte unmissverständlich" verurteilt, hieß es in einer in der Nacht veröffentlichten Mitteilung der Bundesregierung.
Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X (ehemals Twitter): "Unsere fünf Länder werden sicherstellen, dass Israel sich und seine Bürger gegen die abscheulichen Angriffe verteidigen kann."
Hamas droht mit Tötung von Geiseln
Die Hamas drohte unterdessen, für jeden von Israel ausgeführten Angriff eine zivile Geisel hinzurichten, wie ein Sprecher sagte. Sie hatte etwa 150 israelische Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Darunter sind auch Bürger mehrerer westlicher Staaten, darunter soll mindestens eine Deutsche sein.
Der israelische Außenminister Eli Cohen verurteilte die angedrohte Tötung verschleppter Israelis: "Dieses Kriegsverbrechen wird nicht vergeben werden", warnte er. Israel sei entschlossen, die in den Gazastreifen entführten Israelis "im Geiste der gegenseitigen Verantwortung" nach Hause zu bringen, sagte er in einer Videobotschaft. "Wir fordern von der Hamas, keiner der Geiseln etwas anzutun." Israels Armee hat eigenen Angaben zufolge Hunderte Hamas-Mitglieder in Gefangenschaft genommen.
Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas teilte dem arabischen Sender Al-Dschasira mit, die Gruppe sei offen für Vermittlungen. Schon zuvor hatte die islamistische Organisation einen Gefangenenaustausch sowie die Freilassung von 36 inhaftierten Palästinenserinnen in Israel für die Übergabe von älteren entführten Israelinnen gefordert.
Mindestens 900 Menschen durch Hamas-Terroristen getötet
Bei dem am Wochenende begonnenen Angriff der Hamas-Terroristen wurden mindestens 900 Menschen getötet und 2.600 Menschen verletzt. Unter den Toten befänden sich auch mindestens elf amerikanische Staatsbürger, erklärte US-Präsident Joe Biden am Abend auf der Plattform X. Die Terroristen waren in israelische Orte eingedrungen und erschossen Männer, Frauen und Kinder und verschleppten andere in den Gazastreifen.
Mehr als 260 Tote gab es allein bei einem Musikfestival im Süden Israels. Der israelische Rettungsdienst Zaka berichtete zudem, dass mehr als 100 Leichen in dem ländlich gelegenen Kibbuz Beeri geborgen wurden, das Schauplatz eines Geiseldramas war.
Laut Israels Präsident Izchak Herzog wurden seit dem Holocaust nicht mehr so viele Juden an einem Tag getötet wie bei den Terrorattacken der Hamas am Samstag. "Seit dem Holocaust haben wir nicht mehr erlebt, wie jüdische Frauen und Kinder, Großeltern - sogar Holocaust-Überlebende - in Lastwagen gepfercht und in die Gefangenschaft gebracht wurden", sagte er.
Bei den massiven israelischen Gegenschlägen wurden im Gazastreifen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mindestens 687 Menschen getötet und mehr als 3.800 verletzt. Nach Angaben der israelischen Armee wurden die Leichen von etwa 1.500 palästinensischen Terroristen auf israelischem Gebiet gefunden.
Weitere Gefechte in der Nacht
Für die etwa zwei Millionen überwiegend armen Bewohner des äußerst dicht besiedelten Gazastreifens dürfte sich die Lage mit der kompletten Abriegelung durch Israel nun weiter verschlechtern. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte: "Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben."
Israels Armee griff in der Nacht im Gazastreifen weiterhin Ziele militanter Palästinenser an. Die Stellungen seien aus der Luft und von Schiffen aus attackiert worden, teilte die Armee mit. Das Militär habe unter anderem Waffenlager, Tunnel und eine Hamas-Kommandozentrale in einer Moschee bombardiert.
Währenddessen gab es auch im Westjordanland wieder Auseinandersetzungen, bei denen Menschen um Leben kamen. Auch an Israels Nordgrenze zum Libanon gab es Gefechte, was die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts verstärkte. Israelische Soldaten hätten mehrere Bewaffnete erschossen, die nach Israel vorgedrungen waren, teilte das israelische Militär mit. Die wie die Hamas mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah dementierte eine Beteiligung.