Finanzminister zum Ukraine-Krieg China schert bei G20-Dokument aus
Neben Russland hat auch China eine gemeinsame Abschlusserklärung des G20-Treffens in Indien verhindert. Darin sollte das Wort "Krieg" auftauchen. Bundesfinanzminister Lindner kritisierte den "Rückschritt auf der Seite Chinas" beim Thema Ukraine.
Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich bei ihrem Treffen in Indien nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung verständigt. Grund dafür ist die unterschiedliche Haltung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Nach Angaben des Gastgeberlandes Indien gab es lediglich eine gemeinsame Position von 18 der 20 Mitgliedsländer, die von Indien in einer Zusammenfassung veröffentlicht wurde. Die meisten Staaten verurteilten demnach den russischen Angriffskrieg erneut aufs Schärfste und forderten einen bedingungslosen Abzug von ukrainischem Territorium. Neben Russland stimmte auch China den entsprechenden Passagen nicht zu.
"Sehr ambivalent auftretende Chinesen"
Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte nach dem Treffen die Volksrepublik. Er bedauere sehr, dass sich die chinesische Haltung verschoben habe, sagte er. "Wir verurteilen gemeinsam den russischen Angriff auf die Ukraine. Hier gab es sehr große Gemeinsamkeit - allerdings mit Ausnahme der sehr ambivalent auftretenden Chinesen. Das muss man sehr klar sagen." Während es einen "Rückschritt auf der Seite Chinas" gegeben habe, habe zum Beispiel Brasilien nun eine klarere Position.
Damit startet die diesjährige G20-Präsidentschaft Indiens mit einem Dämpfer. In den Diskussionen im südindischen Bengaluru - früher unter dem Namen Bangalore bekannt - ging es unter anderem darum, ob das Wort "Krieg" ins Abschlussdokument aufgenommen werden sollte.
Nicht hinter Formulierung von Bali zurückbleiben
Deutschland und Frankreich machten klar, dass sie keine Formulierung dulden wollten, die hinter der Aussage der Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali im November zurückbleibt. Dort hatten die G20 formuliert: "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste."
Der Krieg darf in Russland nicht als solcher bezeichnet werden. Er muss "Spezialoperation" genannt werden, sonst drohen Strafen.
China gibt sich offiziell als möglicher Vermittler und hatte zuletzt in einem Positionspapier zum ersten Jahrestag der russischen Invasion zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Die Ukraine lehnte das Papier ab, Russland begrüßte es. Die Bundesregierung reagierte skeptisch, ebenso Experten. Mikko Huotari, Direktor des Mercator Institute for China Studies, sagte dazu im tagesschau24-Interview, China stütze mit dem Papier vor allem die russische Position
Auch Russland positionierte sich und warf dem Westen vor, das Treffen der G20-Finanzminister in Indien "destabilisiert" zu haben. Die USA, die EU und die G7-Staaten hätten "die Verabschiedung gemeinsamer Entscheidungen behindert", indem sie versucht hätten, ihre Interpretation des Ukraine-Konflikts in der Abschlusserklärung unterzubringen, erklärte das russische Außenministerium. Washington und seine Verbündeten hätten dabei "klare" Erpressungsversuche unternommen und mehreren Delegationen "Ultimaten" gestellt.
Differenzen auch beim Thema Schulden
Normalerweise werden nach einem G20-Treffen gemeinsame Bewertungen und Ziele in einem Kommuniqué festgehalten. Seit dem Krieg in der Ukraine stocken die Gespräche aber immer wieder, weil auch Russland Mitglied der Gruppe ist.
Differenzen gab es bei dem Treffen in Indien auch über Schulden armer Länder. Lindner hatte China bereits am Freitag ermahnt, der Verantwortung bei möglichen Erleichterungen für Staaten wie Ghana stärker gerecht zu werden. Nach dem Treffen sagte er, er sei nun verhalten optimistisch, dass es in diesem Jahr weitere Fortschritte geben könnte.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.