Indonesiens Rolle bei den G20 Tropischer Frost auf Bali
Der Ukraine-Krieg überschattet das Treffen der G20-Außenminister - Thema dürfte vor allem der Umgang mit dem Russen Lawrow werden. US-Ressortchef Blinken will sich nicht mit ihm treffen.
Es dürfte frostig werden in den Tropen: US-Außenminister Antony Blinken hat bereits erklären lassen, dass er nicht mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow sprechen will. Der russische Außenminister fliegt aus Vietnam zum G20-Treffen. In Hanoi warb er um Unterstützung bei einem Land, dass den russischen Angriff auf die Ukraine nicht offen verurteilt hat.
Man dürfe Lawrow nicht die Bühne überlassen bei der Konferenz der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf Bali, warnte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Aber vermutlich wird genau das geschehen und alle Aufmerksamkeit sich darauf richten, wer wie mit dem Russen umgeht und welche Signale Lawrow sendet. Der Krieg in der Ukraine überschattet alles.
Gastgeber sitzt zwischen allen Stühlen
Gastgeber Indonesien hat sich gewissermaßen zwischen den Stühlen eingerichtet: Die Regierung rief zur Wahrung des Friedens auf, verurteilte Russland aber nicht direkt. Sie schloss sich einer russlandkritischen Resolution der UN-Vollversammlung an, enthielt sich aber beim Ausschluss Moskaus aus dem UN-Menschenrechtsrat der Stimme.
Präsident Joko Widodo besuchte sowohl Kiew als auch Moskau - er sieht sich in der Rolle des Vermittlers: "So hart und verfahren die aktuelle Situation auch ist, werde ich mich immer um Friedensgespräche bemühen. Wir müssen mehr Raum öffnen für Dialoge. Ich habe Präsident Selenskyjs Botschaft an Präsident Putin überbracht und meine Bereitschaft betont, eine Kommunikationsbrücke zu sein zwischen den beiden Führern."
Tiefes Misstrauen gegenüber China und den USA
In dem Inselstaat mit seinen 273 Millionen Einwohnern - immerhin viertgrößte Nation der Erde - herrscht traditionell tiefes Misstrauen gegenüber China wie den USA. Letzteres hat auch mit den westlichen Sanktionen angesichts des Ost-Timor-Konfliktes 1999 zu tun. Jedenfalls hat sich Jakarta stets um gute Beziehungen sowohl zu Washington als auch zu Moskau bemüht.
Die indonesische Luftwaffe etwa wurde mit russischen Kampfflugzeugen ausgerüstet. Einen Folgeauftrag für Suchoi-Kampfbomber in Moskau jedoch hat Indonesien storniert, aus Angst vor amerikanischen Sanktionen.
Einer der weltgrößten Weizenimporteure
Indonesien ist reich an Erdöl und Gas. Als Exporteur ist es aber unbedeutend, die Förderanlagen sind heruntergekommen, es wird vor allem für den eigenen Bedarf produziert. Palmöl ist das wichtigste Exportgut des Archipels. Wirtschaftlich spielen übrigens weder Russland noch die Ukraine für Indonesien eine große Rolle, der Außenhandel liegt im Promillebereich.
Indonesiens Handelsdefizit mit der Ukraine stammt aus Weizenexporten. Der Inselstaat gehört zu den weltgrößten Weizenimporteuren. Aus Weizen werden die beliebten Instantnudeln hergestellt, dem nach Reis zweitwichtigsten Grundnahrungsmittel in Asien. Höhere Nudelpreise sind stets großes Medienthema und schüren Unzufriedenheit.
Insofern ist das natürlich ein ganz wesentliches Thema für Präsident Widodo: "Indonesiens einziges Interesse ist ein Ende des Krieges, damit die Lieferketten für Getreide und Dünger wieder funktionieren, denn da geht es um das Leben von Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen. Ich möchte alle Führer der Welt bedrängen, zusammenzuarbeiten, um den Geist von Multilateralismus, Frieden und Zusammenarbeit neu zu beleben." Nur so werde man Frieden erreichen.
Präsident Widodo will Putin nicht ausladen
Ob Indonesien seinen Neutralitätskurs durchhalten kann, wird sich weniger beim jetzigen Außenministertreffen zeigen, sondern wohl eher beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im November; ebenfalls auf Bali. Der Druck westlicher Staaten - insbesondere der USA - ist groß, Putin wieder auszuladen. Widodo hat sich dem bislang widersetzt.
Stattdessen will er - gewissermaßen als Kompromiss - auch Selenskyj einladen, obwohl die Ukraine nicht Mitglied der G20 ist.