34. Jahrestag Gedenken an Tiananmen-Massaker - außer in China
Die blutige Niederschlagung der Massenproteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz jährt sich zum 34. Mal. In China sind Gedenkveranstaltungen verboten - auch in Hongkong ist öffentliches Erinnern inzwischen weitgehend eingeschränkt.
Im Frühjahr 1989 gingen in ganz China hunderttausende vor allem junge Chinesinnen und Chinesen auf die Straßen, um für Demokratie und politische Reformen zu demonstrieren. Die kommunistische Staats- und Parteiführung ließ die friedlichen Proteste am 4. Juni im Zentrum der Hauptstadt Peking blutig niederschlagen, mit Panzern und Soldaten.
Einer, der bis kurz vor dem gewaltsamen Ende der Proteste mit dabei war auf dem Tiananmen-Platz in Peking, ist Zhang Wei. "Ja, die Studentenproteste haben der Regierung eine Menge Scherereien bereitet. Sie wusste damals nicht, wie sie damit umgehen soll. Aber die Führung hätte damals anders handeln können", sagte der heute Mitte 50-Jährige.
Er heißt eigentlich anders, will seinen echten Namen aber aus Angst vor Repressionen nicht nennen. Im Frühjahr 2019 sprach er mit der ARD über seine Erlebnisse von damals. "Nichts rechtfertigt den Einsatz von Panzern in den Straßen Pekings", sagte Zhang. "Das werden wir niemals verzeihen."
Einschüchterungen gegenüber Angehörigen
"Wir" - damit meinte der Geschäftsmann auch die Angehörigen der vielen Opfer des 4. Juni 1989. Sie organisieren sich zum Beispiel in der Gruppe der "Tiananmen-Mütter". Rund um den Jahrestag werden die inzwischen teils hochbetagten Frauen regelmäßig von Chinas Staatssicherheit eingeschüchtert, bedrängt und zum Stillhalten verpflichtet.
So auch dieses Jahr wieder. "Weil Chinas Kommunistische Partei nicht gewählt ist vom Volk, steht sie immer vor dem Problem, dass sie nicht demokratisch legitimiert ist", sagte Teng Biao, chinesischer Jurist und früherer Uni-Dozent und Bürgerrechtsanwalt. Heute lebt und lehrt er im Exil in den USA. "Chinas KP sieht sich durch jede abweichende Stimme herausgefordert."
Demonstrationen Ende November 2022
Zum ersten Mal seit 1989 kam es in China vergangenes Jahr Ende November wieder zu nennenswerten politischen Demonstrationen. Landesweit gingen Zehntausende auf die Straßen, aus Protest gegen den strikten Null-Covid-Kurs und die Politik der Staats- und Parteiführung.
Manche forderten gar den Rücktritt von Staatschef Xi Jinping. "Einige der Leute bei den Protesten vergangenes Jahr sahen sich tatsächlich in der Tradition der Proteste vom Tiananmen-Platz 1989. In jedem Fall war es die gleiche Sehnsucht nach Freiheit, Demokratie und Menschenwürde", sagte der frühere Bürgerrechtsanwalt und Teng Biao.
Chinas Staatsführung hatte die Proteste Ende November 2022 zunächst toleriert, beendete sie dann aber nach wenigen Tagen mit massiver Polizeipräsenz und Einschüchterung. Beteiligte der Proteste wurden abgemahnt und teils festgenommen, es kam auch zu Strafverfahren.
Zensierte und gelöschte Inhalte auf sozialen Plattformen
Auch der Druck auf alle, die in China an den 4. Juni 1989 erinnern wollen, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. In der breiten Öffentlichkeit dürfen die Existenz der Demokratiebewegung und erst recht deren gewaltsame Niederschlagung nicht thematisiert werden.
In den Medien, an Schulen und Universitäten wird das Tiananmen-Massaker totgeschwiegen, in Social-Media-Diensten werden entsprechende Inhalte zensiert und gelöscht.
Erschwertes Gedenken in Hongkong
In vielen Bereichen gilt das inzwischen auch in Hongkong. Öffentliches Erinnern an die Toten und Verletzten von damals wird in der chinesischen Sonderverwaltungsregion seit 2020 weitgehend eingeschränkt. Öffentliche Bibliotheken mussten Bücher zum Thema aus ihren Regalen entfernen.
In den vergangenen Tagen wurden geplante Veranstaltungen zum Thema auf Druck der Staatsführung abgesagt. Dass die kommunistische Führung versucht, unangenehme Details ihrer Geschichte zu löschen - das sei ein Fehler, sage der chinesische Geschäftsmann Zhang Wei, der 1989 in Peking mitprotestiert hat. "Überall werden Fehler gemacht", sagte er. Parteien und Regierungen seien keine Ausnahmen. "Es tut weder unserem Land, noch der Regierung, noch der Gesellschaft oder sonst wem gut, dass das alles bisher nicht aufgearbeitet wurde. Es wäre ein Zeichen der Stärke, wenn die chinesische Regierung ihre Fehler zugäbe."
Dass das in absehbarer Zeit passiert, ist nicht zu erwarten. Unter ihrem Generalsekretär Xi ist das Selbstverständnis der Unfehlbarkeit in der Kommunistischen Partei Chinas noch größer geworden.