Rassismus in China "Tut mir leid, wir suchen weiße Leute"
Demütigende Videos, keine Chance im Bewerbungsgespräch: Schwarze Menschen werden in China oft unverhohlen rassistisch behandelt. Die Regierung dementiert das - und reagiert ihrerseits dünnhäutig auf Rassismus gegen Chinesen.
"Ich bin ein schwarzer Teufel, mein IQ ist tief" skandiert eine Gruppe afrikanischer Kleinkinder auf Chinesisch in die Kamera. Es ist eines der besonders herabwürdigenden Videos, die in China gerade Teil einer ganzen Industrie sind: Über chinesische Online-Plattformen können solche Videos mit individueller Grußbotschaft in Auftrag gegeben werden.
Geliefert wird innerhalb von 24 Stunden, verspricht der Anbieter. Alle Vorlagen entsprechen dem Klischee des primitiven Afrikaners. Auf der Preisliste heißt es: Tanzende Kinder im Bild kosten umgerechnet etwa 13 Euro, halbnackte Männer mit Gewehren 20 Euro. Die Videos wurden ein Trend während des Lockdowns in Shanghai.
Olufemi kennt diese Videos, sie haben ihn nicht überrascht. Als 17-jähriger Junge kam Olufemi aus Nigeria fürs Studium nach Shanghai. Jetzt lebt er schon 13 Jahre in China und spricht perfekt Mandarin. Eigentlich ist China sein Zuhause. Aber wegen seiner Hautfarbe wird er oft ausgeschlossen.
"Ich werde immer daran erinnert, dass ich schwarz bin, dass ich Afrikaner bin - und mir wird vermittelt, dass ich anders bin als alle anderen," erzählt er. Selbst in Chinas Metropolen werde ihm häufig "Schwarzer" hinterhergerufen oder mit dem Finger auf ihn gezeigt. Freundlich sei das selten gemeint, findet Olufemi. Dunkle Haut sei schlechter, wird ihm widergespiegelt. Am deutlichsten merkte er das bei der Arbeitssuche. "Ich habe festgestellt, dass sie dir ganz direkt sagen: 'Tut mir Leid, wir suchen weiße Leute'.
Eine Frage der Sensibilität?
Offiziell heißt es von der Regierung, es gebe Null Toleranz gegenüber Rassismus. Aber Aufklärung und eine offene Diskussion über Ausgrenzung gibt es quasi nicht. Olufemi vermeidet es, Chinesen Rassismus vorzuwerfen. Lieber spricht er von Ignoranz. Es fehle die Sensibilität, meint er. "Sie versuchen nicht zu überlegen: Wie fühlt sich das für die andere Person an? Oder vielleicht stimmt etwas nicht mit mir, wenn ich jemandem lauthals 'ein Schwarzer!' hinterherrufe..."
Im Jahr 2016 störte sich wochenlang niemand an einer Waschpulver-Werbung im chinesischen Fernsehen. In dem Spot schiebt eine asiatische Frau einem schwarzen Arbeiter eine Waschmittelkapsel in den Mund und stößt ihn kurzerhand kopfüber in eine Waschmaschine. Nach einem kurzen Waschgang wird die Maschine geöffnet und ein blasser asiatischer Mann kommt mit einem Augenzwinkern heraus, sehr zur Freude der Frau. Auf Anfrage von ausländischen Medien gab der Waschmittelhersteller an, das Problem nicht erkannt zu haben.
Ein Jahr später schockiert eine Foto-Ausstellung im chinesischen Wuhan einen ausländischen Besucher. Die Ausstellung mit dem Titel "Das Gesicht spiegelt den Geist wider" vergleicht Gesichter von Schwarzen mit Tieren. Ein Foto eines älteren Mannes etwa ist neben dem eines Affen zu sehen. Ein Kind mit offenem Mund ist neben einem Gorilla mit aufgerissenem Maul abgebildet. Erst nach Hinweisen einiger afrikanischer Botschaften entfernte das Museum die Bilder.
Verstärkender Faktor Pandemie
Während der Corona-Pandemie verstärkte sich noch der Rassismus. Für Aufsehen sorgte der Fall in der Millionenstadt Guangzhou, wo traditionell viele Afrikaner leben. Eine Handvoll Nigerianer waren im Frühjahr 2020 positiv auf Covid-19 getestet worden. Daraufhin stellten die Behörden von Guangzhou alle Schwarzen in der Stadt unter Quarantäne und testeten sie. Viele wurden aus ihren Häusern und Hotels vertrieben und gezwungen, auf der Straße zu leben. Die USA gaben eine Reisewarnung an Schwarze raus.
Innerhalb Chinas schürte das Vorgehen der Behörden das Vorurteil, Afrikaner seien Überträger des Virus. Chinas Außenministerium verkündete wieder, sie hätten eine Null-Toleranz-Politik gegebenüber Rassismus.
"Don't eat me"
Wie wenig die umgesetzt wird, erfuhr Jacobie Kinsey. Er wohnt in Shanghai, war dort auch während des Lockdowns. 25 Millionen Menschen konnten ihre Wohnanlagen nicht verlassen; besonders zu Beginn drohte die Stimmung teilweise zu kippen. "Die meisten Leute hatten nur Essen für eine Woche in der Wohnung. Allen Leuten gingen in dieser Zeit also die Lebensmittel aus", erzählt er. In einem Gruppenchat tauschen sich die Anwohner seines Hochhauses aus, wie sie an Essen kommen können. "Und da sagte der eine Nachbar: Vielleicht könnten wir den Schwarzen im siebten Stock essen", erinnert sich Kinsey. Er ist immer noch irritiert, wenn er daran zurückdenkt.
In seiner ganzen Wohnanlage war er der einzige Schwarze und die Atmosphäre war wegen des Lockdowns angespannt. "Ich dachte: Der Kerl könnte einen Scherz machen, aber es könnte auch eine ernste Sache sein". "Don’t eat me" - "Iss mich nicht auf", antwortet Kinsey seinem Nachbarn im Gruppenchat. Seine Freunde verbreiten den Chatverlauf. Unter Ausländern in China ist der Spruch zu einem zynischen Witz geworden.
Kaum Problembewusstsein
Was viele Afrikaner wundert: wenn Chinesen die Opfer vermeintlichen Rassismus sind, reagieren sie sehr erzürnt. Großen Aufruhr gab es beispielsweise, als vergangenes Jahr westliche Firmen chinesische Models mit ausgeprägt schmalen Augen zeigten. Der Fotografin der französischen Luxusmarke Dior wurde Herabsetzung von Chinesen vorgeworfen, sie musste sich öffentlich entschuldigen. Der deutsche Autobauer Mercedes zog seine Werbung wegen der Rassismusvorwürfe zurück.
"Es wäre schön, wenn die Chinesen das gleiche Bewusstsein hätten, wenn sie Afrikaner darstellen," meint Olufemi. Aber ohne Problembewusstsein und ohne offene Diskussion scheint das in China nur schwer erreichbar. Zumal die derzeitige Staats-Führung eher den Ethno-Nationalismus hochhält.
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