Blick von Bat Hefer nach Tullkarm, im Vordergrund ein Stacheldrahtzaun
reportage

Israelische Stadt Bat Hefer Leben in Angst an der Grenze zum Westjordanland

Stand: 01.06.2024 17:31 Uhr

Immer wieder fallen Schüsse, Drohnen fliegen über den Stacheldrahtzaun, Bewohner berichten von Bohrgeräuschen unter der Erde: In der Stadt Bat Hefer an der Grenze zum Westjordanland fühlen sich die Anwohner nicht mehr sicher.

Schüsse hallen durch die Vorgärten der 5.000-Einwohner-Stadt Bat Hefer im Zentrum Israels. Sie liegt an der Trennmauer zum Westjordanland. Ein paar hundert Meter dahinter befindet sich Tulkarm. Die palästinensische Stadt gilt als Hochburg für Terroristen. Von dort feuern bewaffnete Kämpfer immer wieder auf Bat Hefer - erst diese Woche wieder, gleich mehrmals. Autos und Häuser wurden getroffen.

Anwohner wie Amitai Gazit leben in Angst. Er wohnt nur ein paar hundert Meter von der Mauer entfernt. Er hörte Schüsse, Explosionen und ein Summen. Es sei eine Drohne gewesen, die Bilder von der Stadt machte. "Nach dem 7. Oktober fühlen wir uns nicht sicher. Alle meine Freunde haben jetzt Waffen. Meine Frau will, dass ich auch eine kaufe."

Täglich mache er sich Gedanken, wie er sich, seine Frau und seine Kinder schützen könne, sagt er. In seinem Haus schließt er die Tür zum Bunker der Familie. An der Innenseite befestigt er ein Holzbrett mit einem Loch, das so groß ist, dass die Türklinke durchpasst. Die Klinke lässt sich dadurch nicht herunterdrücken. "Wir haben keine Angst vor Raketen, sondern vor einem Massaker", so Gazit. Hilfe zur Selbsthilfe, sagt Gazit. Weil es Terroristen am 7. Oktober gelang, Bunker zu öffnen, Menschen zu töten und zu entführen.

Amitai Gazit

Amitai Gazit wohnt nur ein paar hundert Meter von der Mauer zum Westjordanland entfernt.

Sorge um zunehmende Gewalt im Westjordanland

Auch im Regionalrat von Emek Hefer ist die Sorge wegen der zunehmenden Gewalt im Westjordanland groß. Die Regionalratsvorsitzende Galit Shaul ist für Bat Hefer und 40 weitere Gemeinden zuständig. Von der Trennlinie zum Westjordanland sind es 13 Kilometer bis zum Meer. Schnell könnten Terroristen in Großstädte wie Netanya, Herzliya oder nach Tel Aviv gelangen, warnt die Politikerin.

Sie nehme nichts auf die leichte Schulter und gehe jedem Hinweis nach. Die Armee würde dauernd mehr und mehr Waffen finden und auf TikTok gäbe es dauernd Posts, in denen auf Bat Hefer geschossen wird. "Ich hätte nie gedacht, dass ich als Regionalratsvorsitzende Waffen beschaffen muss", so Shaul. "Ich habe einen Freund, der mich noch heute auslacht, weil ich anrief und fragte, wie ich an einen Panzer komme."

Ihre Sorge scheint begründet. Immer näher wagen sich militante Kämpfer an Grenzorte wie Bat Hefer heran. Sie hat erfahren, dass die Terrororganisationen jedem Geld bieten, der Schüsse auf die Stadt abgibt und das Video im Internet postet. Shaul spricht von einem Geschäft mit dem Terror.

Untersuchung von Tunneln unter der Stadt

In Bat Hefer räumen Baufahrzeuge zwischen Trennmauer und Zaun Erde zur Seite. Kürzlich hat die Gemeinde das Gebiet am Zaun untersuchen lassen. Anwohner wollen nachts Bohrgeräusche unter ihren Häusern gehört haben und vermuteten, dass Terroristen Tunnel bauen.

Mika Fried von der Firma Geoscope untersuchte ein drei Kilometer großes Gebiet in Bat Hefer. Mit moderner Technik spürt er gemeinsam mit der Armee auch Hamas-Tunnel in Gaza auf. "Ich kann sagen, dass wir bei Bat Hefer verdächtige Stellen gefunden haben. Wir glauben, wenn es einen Tunnel gibt, müsste er dort sein. In 98 Prozent der Fälle, wenn uns jemand anruft, finden wir einen Tunnel."

Zurück in Bat Hefer bleibt Anwohner Amitai Gazit an einer Stelle stehen, wo die Mauer eine Lücke hat, weil dort ein Wasserkanal verläuft. Durch den Zaun sind Umrisse von Häusern auf der anderen Seite deutlich zu sehen. Es seien nur 400 Meter, weniger als ein Kilometer. "Da ist Tulkarm. Ein Scharfschütze könnte auf dem Hügel oder auf dem Dach stehen und mich erschießen."

Seit 20 Jahren wohnt Gazit in Bat Hefer. Er habe schon daran gedacht, wegzuziehen, möglicherweise ins Ausland, räumt er ein. Für immer möchte er nicht mit einer Waffe und einem Holzbrett im Bunker leben.

 

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 31.05.2024 21:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Eine Welt" am 01. Juni 2024 um 13:39 Uhr.