Baerbock im Westjordanland "Was hier passiert, ist illegal"
Im Westjordanland hat Außenministerin Baerbock Israel aufgefordert, die palästinensische Bevölkerung besser vor Übergriffen gewalttätiger Siedler zu schützen. Ihr Nahost-Besuch ist eine Gratwanderung.
Ihre Nahostreise führt Außenministerin Annalena Baerbock auch in ein kleines Dorf im Westjordanland südlich der Stadt Nablus. Seit Kriegsbeginn sei für die Menschen hier das Leben äußerst schwierig geworden, betont Baerbock und schaut in den Himmel: "Wir hören über uns eine Drohne, die hier kreist. Offensichtlich, um zu sehen und zu hören, was wir hier tun." Aber diese Drohne kreise tagtäglich über den Menschen, die hier zu Hause seien, "um sie offensichtlich abzuschrecken und von hier zu vertreiben."
Während der Krieg im Gazastreifen und der Beschuss an der nördlichen Grenze zu Israel anhält und das Nachrichtengeschehen dominiert, geht unter, dass auch die Gewalt im Westjordanland immer mehr ausufert. Erst gestern verletzte ein Autofahrer einen Soldaten an einem Checkpoint. Die Soldaten schossen auf das Auto, ein dreijähriges Kind einer Beduinenfamilie, das in der Nähe war, wurde versehentlich erschossen.
Checkpoints geschlossen, Angst vor Gewalt
Dass mehr und mehr Checkpoints zu Israel geschlossen werden und der Siedlungsbau zunimmt, schränke das Leben der Menschen ein, kritisiert die Ministerin: "Die Menschen können hier aus Angst vor Gewalt, vor radikalen Siedlern, die sich gleich neben ihren Häusern angesiedelt haben, nicht mehr hier wohnen. Ihre Kinder können nicht mehr zur Schule gehen und sie können ihre Ernte nicht mehr einholen. Das, was hier passiert, ist illegal."
Baerbock fordert Schutz von Israels Regierung
Baerbock appelliert an die israelische Regierung und das Militär, die Menschen im Westjordanland zu schützen. Gleichzeitig verurteilt sie Äußerungen rechtsgerichteter israelischer Regierungsmitglieder, die eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens durch Israel und eine Umsiedlung der Palästinenser aus Gaza fordern.
Israels Präsident Izchak Herzog sagte in einem Fernsehinterview, dies sei nicht die Haltung seiner Regierung: "Absolut nicht. Das ist nicht die Haltung der israelischen Regierung, des Parlaments oder der Öffentlichkeit. Aber wir sind eine Demokratie, und in einer Demokratie gibt es eine Bandbreite an Ideen. In einer Demokratie, wo Meinungsfreiheit zur DNA gehört, können Leute sagen, was sie wollen, auch ein Minister. Ich mag das vielleicht nicht, aber das ist israelische Politik", so Herzog, der sich am Vorabend mit der Ministerin in Jerusalem getroffen hatte.
Dabei versuchte Baerbock eine Gratwanderung. Zum einen forderte sie eine ihren Worten nach weniger starke Operationsführung Israels im Krieg gegen die Hamas in Gaza. Andererseits betonte sie das Recht Israels, sich gegen den Angriff der Hamas zu verteidigen und die Geiseln zu befreien. Auch sei es Zeit, an die Zeit nach dem Krieg zu denken. Eine Wiederbesiedlung Gazas schloss Baerbock aus.
Hamas-Sprecher zur Zukunft von Gaza
Zum ersten Mal äußerte sich zu einem Nachkriegsszenario auch ein hochrangiger Hamas-Sprecher in Beirut, Osama Hamdan. "Die Ideen, dass es in Gaza eine zivile Verwaltung im Schatten der Besatzungsarmee geben wird, wird keinen Erfolg haben. Der Gazastreifen wird einzig von Palästinensern geführt werden. Sie werden über die Zukunft ihres Landes entscheiden und über das Regime. Gaza wird nur ein Teil eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt sein, so Gott will."
Nur wenn sich Israel den Bedingungen der Terrororganisation füge, sei diese bereit, die noch festgehaltenen Geiseln freizulassen, so Hamdan.
Laut der israelischen Regierung sind noch 136 Geiseln im Gazastreifen. 25 davon seien vermutlich nicht mehr am Leben, teilte eine israelische Regierungssprecherin mit. Am Abend will Baerbock nach Ägypten weiterreisen. Auch US-Außenminister Antony Blinken wird heute in Israel erwartet.