Baerbock in Nahost Was bringt die deutsche Nahost-Diplomatie?
Bundesaußenministerin Baerbock ist wieder im Nahen Osten unterwegs. Zum neunten Mal seit dem Überfall der Hamas besucht sie Israel. Davor ist sie in Saudi-Arabien und Jordanien. Was hat die deutsche Diplomatie bisher gebracht?
Nicht mal eine Woche nach dem Überfall der Hamas auf Israel ist Annalena Baerbock in Netiwot. Die Stadt im Süden Israels ist nur wenige Kilometer entfernt vom Gazastreifen.
Dort setzt die deutsche Außenministerin den Ton. "Israels Sicherheit ist für uns Staatsräson. Deutschland steht fest an der Seite Israels. Israel hat unsere umfassende Solidarität. Und Israel hat unsere volle Unterstützung. Wo immer dies notwendig ist, wo immer dies notwendig sein sollte."
Die deutsche Unterstützung: Rüstungsexporte und politischer Beistand in den Vereinten Nationen. Baerbock reist immer wieder in die Region. Neben Solidarität für Israel ist dabei immer lauter Kritik an der israelischen Kriegsführung zu hören - wie im Januar. "Die israelische Armee muss mehr tun, um palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza zu schützen. Sie muss Wege finden, Hamas zu bekämpfen, ohne, dass so viele palästinensische Menschen Schaden an Leib und Leben nehmen." Solidarität und Kritik - beides versucht Baerbock.
Deutschland hat Vertrauen eingebüßt
Doch der Nahost-Experte Daniel Gerlach meint, dass diese differenzierte Position so nicht wahrgenommen wird. "Das wird sie weder im europäischen Ausland noch im Nahen Osten. Und ich weiß nicht, woher auch die Außenministerin diese Gewissheit nimmt, als würde ihre angeblich nuancierte Position in der Welt in irgendeiner Form Gehör finden."
Gerlach sitzt in einem Hotelzimmer in Bagdad. Dort leitet der Orientalist eine Konferenz. Er hält es für ein Problem, dass die Nahostpolitik nicht nur im Auswärtigen Amt gemacht wird, sondern auch im Kanzleramt. Denn dort interessiert sich nach seinem Eindruck kaum jemand für die Belange der Palästinenser.
Die Position der Bundesregierung - eng an der Seite Israels - ist innenpolitisch unumstritten. International hat Deutschland dadurch aber Vertrauen eingebüßt. Vor allem in der arabischen Welt und im globalen Süden.
Nahostexperte fordert gemeinsame Haltung Europas
Der Nahostexperte Gerlach findet: Deutschland müsse sein Gewicht einsetzen, um in Europa eine gemeinsame Position zu entwickeln, etwa wenn es um die Verurteilung der Gewalt von radikalen Siedlern im besetzten Westjordanland geht oder Sanktionen gegen zwei rechtsextreme Minister in der israelischen Regierung.
"Die europäischen Staaten haben keine Möglichkeit, gemeinsame Entscheidung zu finden, weil es eben aufgrund der Einstimmigkeit bestimmte Staaten gibt, insbesondere die Ungarn, die jetzt auch noch die Ratspräsidentschaft haben, die eben solche Entscheidungen verhindern, weil sie voll auf der Linie Netanyahus sind. Und da kann Deutschland natürlich immer sagen: Also wir würden ja vielleicht mitmachen. Aber auf europäischer Ebene kriegen wir das nicht durch." Deutschland versteckt sich nach Gerlachs Eindruck bei seiner Nahost-Politik hinter den USA.
Es bleibt bei Appellen
So oft wie Baerbock war sonst nur US-Außenminister Anthony Blinken in Israel. Beide stimmen sich immer wieder eng ab. Aber anders als die USA mit ihrer Militärpräsenz in der Region, hat Deutschland kaum diplomatische Druckmittel. Und so bleibt es oft bei Appellen der Außenministerin.
Im vergangenen März warnt sie davor, den Menschen in Gaza die nötige humanitäre Hilfe zu verweigern. "Dann schafft dies Hunger und Leid und neuen Hass in den Herzen so vieler Menschen. Wir alle wissen, die Widerstände gegen eine Zwei-Staaten-Lösung sind enorm. Aber wir wissen auch: Ohne eine Perspektive auf eine Zwei-Staaten-Lösung wird es keinen Frieden geben."
Solche Aufrufe, zu einer politischen Lösung zu kommen, werden auch bei dieser Nahost-Reise zu hören sein, in Saudi-Arabien, Jordanien und Israel. Gebracht haben sie bisher wenig, meint Gerlach. "Letztendlich hat man bis auf kleinere Erfolge bei der humanitären Hilfe ja doch eigentlich einsehen müssen. Unser Prinzip: Die Israelis hören uns wenigstens zu, und deswegen äußern wir uns nicht kritisch in der Öffentlichkeit, weil wir wollen ja, dass die Israelis weiterhin diese Kanäle mit uns offen halten. Das hat offensichtlich zu nichts geführt."
Baerbock will sich nicht entmutigen lassen. Bei ihrem letzten Besuch in Israel Ende Juni machte sie klar: Resignieren ist keine Option für sie.