Treffen der ASEAN-Staaten Gipfel in Zeiten internationaler Spannungen
Beim ASEAN-Gipfel in Kambodscha gibt es viel zu besprechen: der Ukraine-Krieg, der Konflikt in Myanmar und der Machtkampf zwischen den USA und China in Südostasien. Dabei richten sich alle Augen auf US-Präsident Biden. Von Jennifer Johnston.
Beim ASEAN-Gipfel in Kambodscha gibt es viel zu besprechen: der Ukraine-Krieg, der Konflikt in Myanmar und der Machtkampf zwischen den USA und China in Südostasien. Dabei richten sich alle Augen auf US-Präsident Biden.
Nach und nach kommen die Regierungschefs in ihren Privatfliegern an, machen sich in gepanzerten Fahrzeugen auf den Weg Richtung Konferenzzentrum. Dieses ASEAN-Treffen steht unter besonderer Beobachtung, denn auch US-Präsident Joe Biden hat sich angekündigt. Russlands Präsident Wladimir Putin schickt Außenminister Sergej Lawrow, der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba ist bereits vor Ort.
"ASEAN-Staaten haben Großes erreicht"
Zum Auftakt des Gipfels unterzeichnete er den Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit in Südostasien. Die ASEAN-Staaten haben den Friedensvertrag 1976 geschlossen. Das Abkommen verpflichtet die Parteien unter anderem zur gegenseitigen Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der beteiligten Nationen.
Seit ihrem Bestehen hätten die ASEAN-Staaten Großes erreicht, sagt Frederick Kliem, Politikwissenschaftler an der Rajaratnam School of International Studies in Singapur. "Wir haben hier eine Region, die diverser kaum sein könnte, wo ein ziviler Umgang, Dialog und in der Tat Frieden und Stabilität alles andere als erwartbar ist. Und die ASEAN hat es schon geschafft, hier Stabilität und Frieden reinzubringen."
Zu wenig Engagement gegenüber Myanmar
Bei Myanmar allerdings sind sie vorerst gescheitert. Die Militärjunta hat im Februar vergangenen Jahres die demokratisch gewählte Regierung des Landes gestürzt. Seitdem sind Tausende Menschen getötet worden, Zivilisten werden vom Militär aus der Luft beschossen, Demokratieaktivisten gehängt. Die ASEAN-Staaten werden international stark kritisiert, zu wenig gegen die Gewalt in ihrem Nachbarland zu tun.
Der Verband habe jedoch wenig Möglichkeiten, sagt Politikwissenschaftler Kliem: "Es gibt kein ASEAN-Militär. Es gibt, obwohl es den Vorschlag öfter gegeben hat, keine Friedenstruppen, die eingesetzt werden könnten. Und ohne Militäreinsatz ist es schwer, diesen Konflikt zu beenden." Hier sei die internationale Gemeinschaft gefragt, die Vereinten Nationen, so Kliem.
Obwohl die ASEAN-Staaten eine Politik der Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten verfolgen, haben sie den Chef der Militärjunta für diesen Gipfel ausgeladen. Min Aung Hlaing hat bisher einen gemeinsam verabschiedeten Fünf-Punkte-Plan ignoriert. Neben ihrer Politik des leeren Stuhls könnten die Staaten Myanmar jedoch noch stärker isolieren und alle Geschäftsbeziehungen abbrechen, sagt Kliem: "Doch dazu haben sich einige ASEAN-Staaten noch nicht durchgerungen." Zudem unterstützen Russland und China das Militär in Myanmar.
USA und China ringen um Einfluss
Neben der Krise in Myanmar ist der wachsende Konflikt zwischen den Weltmächten USA und China ein großes Thema beim ASEAN-Gipfel, sagt der Politikwissenschaftler und ehemalige Präsident des UN-Sicherheitsrates, Kishore Mahbubani:
Die ASEAN-Staaten wollen gute Beziehungen mit China. Das Land ist ein Nachbar und wird auch die kommenden 2000 Jahre ein Nachbar bleiben. Und gleichzeitig wollen sie gute Beziehungen mit den USA.
Denn die USA sind nicht nur wie China ein wichtiger Wirtschaftspartner, sondern auch der Sicherheitsgarant der Region. Die ASEAN-Staaten wollen sich daher nicht zwischen den USA und China entscheiden müssen, sondern mal mit dem einen, mal mit dem anderen zusammenarbeiten.
Chinesische Charme-Offensive
Dass dieses Jahr US-Präsident Biden am ASEAN-Gipfel teilnimmt, sei ein wichtiges Zeichen, sagt Politikwissenschaftlerin Dewi Fortuna Anwar. Die lange Abwesenheit der USA habe den amerikanischen Interessen geschadet. China habe hingegen die Chance genutzt und eine breite Charme-Offensive gestartet.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang betonte bereits am Vorabend des Gipfels, dass China und die ASEAN-Gruppe strategische Partner seien und der jeweils größte Handelspartner des anderen. "China hat inzwischen mehr Unterstützung in Südostasien. Die USA müssen sich zeigen, wenn sie relevant bleiben wollen", so Anwar. Von dem Konflikt zwischen den USA und China haben die südostasiatischen Staaten auch profitiert. Denn internationale Unternehmen haben sich teils aus China zurückgezogen und ihre Standorte nach Vietnam, Thailand oder Malaysia verlagert, um Sanktionen der USA zu umgehen.
Hoffnung auf den "indonesischen Motor"
Der diesjährige ASEAN-Gipfel ist das erste persönliche Treffen der südostasiatischen Staaten seit Beginn der Corona-Pandemie. Der aktuelle Vorsitzende Kambodscha habe seine Arbeit gut gemacht, meint Politikwissenschaftler Kliem. Doch er setze noch mehr Hoffnungen in Indonesien, den nächsten ASEAN-Vorsitzenden.
Denn Indonesien ist mit mehr als 270 Millionen Einwohnern das größte Land Südostasiens und das viertgrößte der Welt. Es habe die ASEAN immer weiter nach vorne gebracht, betont Kliem: "In Europa sagt man, es gibt diesen deutsch-französischen Motor der EU, aber in ASEAN ist es auf jeden Fall der indonesische Motor." Und der läuft sich gerade warm - als Vermittler und Gastgeber des G20-Gipfels kommende Woche auf Bali.