Tourismus in Afghanistan Der gefährliche Reiz des Unbekannten
Immer mehr Touristen besuchen Afghanistan - trotz Taliban-Herrschaft, trotz drohender Anschläge. Zuletzt waren dort drei Spanier getötet worden. Das Auswärtige Amt rät denen, die trotzdem hinreisen, zu speziellen Vorsichtsmaßnahmen.
Es waren verstörende Bilder, die am vergangenen Wochenende über die sozialen Medien verbreitet wurden. Ein Mensch, offenbar tot, wird von zwei Männern an Händen und Beinen hochgehoben, unter ihm eine Blutlache. Die Leiche wird in einen Krankenwagen gehievt, wo bereits ein weiterer Toter liegt.
Bewaffnete hätten im Zentrum der Stadt Bamyan das Feuer auf Menschen eröffnet, so der Sprecher des afghanischen Innenministeriums. Drei Touristen seien gestorben und drei Afghanen. Zudem seien vier Ausländer und drei Afghanen verletzt worden. Die drei Toten, erfährt man später, waren Spanier.
Der Brite Joe Sheffer war am Montag dort, wo es geschah. "Der Anschlagsort liegt mitten auf dem Basar in Bamyan. Heute sieht es ganz normal aus - da die Dinge wieder normal sind", sagt er. Der einzige Unterschied: Es seien viel mehr Sicherheitskräfte hier, wie man sie normalerweise in Bamyan nicht sehe.
Touristenzahlen steigen von Jahr zu Jahr
Joe Sheffer ist Reiseunternehmer. Er organisiert Touren durch Afghanistan. Eben auch nach Bamyan in Zentral-Afghanistan. Das ist beliebt bei Touristen, denn hier in der Nähe sind - oder besser waren - die berühmten riesigen Buddha-Statuen, die in Felsnischen errichtet wurden. Im März 2001 waren sie unter dem ersten Taliban-Regime gesprengt worden, zum Entsetzen der Weltöffentlichkeit.
Nur noch Ruinen sind von den rund 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen in Afghanistan übrig geblieben.
Die Ausländer, die jetzt kommen, können nur noch Reste sehen. Aber es kommen tatsächlich wieder Touristen aus dem Ausland: etwas mehr als 2.000 vor zwei Jahren, schon etwa 7.000 im vergangenen Jahr, und dieses Jahr werden es wohl wieder mehr. Es ist wohl vor allem reine Abenteuerlust, die die Menschen anzieht.
"Afghanistan ist ein Ort, der seit Hunderten von Jahren die Fantasie von Reisenden beflügelt. Und in jüngster Zeit gilt es auch als verbotener Ort, wo man gar nicht richtig hinkommt. Ich denke, das ist es, was jetzt eine Menge Leute anzieht, denn nun kann man hierher kommen und wollen sie die Gelegenheit nutzen", schätzt Reiseunternehmer Sheffer.
Schulische Vorbereitung auf die Gäste aus dem Ausland
Und wenn sie dann da sind, wird in Sozialen Medien gepostet, was geht. Ein Brite lässt sich filmen, wie er mit jungen Leuten über Cricket spricht. Eigentlich verstehen sie sich kaum, aber für ein Video auf Instagram reicht es.
Die Regierung in Kabul unterstützt solchen Tourismus. Es gibt einen Vize-Minister, der dafür zuständig ist. Und es gibt mittlerweile sogar eine Schule, wo junge Afghanen auf die Touristen vorbereitet werden. Noch kommen so wenige, dass lokale Medien regelmäßig über Besuchergruppen berichten - und die Ausländerinnen und Ausländer entsprechend bestaunt werden. Dennoch raten westliche Regierungen von einem Besuch des Landes ab.
IS-Anschlag richtete sich gezielt gegen EU-Bürger
Reiseunternehmer Sheffer sieht das natürlich anders. Trotz des jüngsten Angriffs bleibe die Sicherheitslage um ein Vielfaches besser als vor 2021, sagt er: "Es waren ja vorher die Taliban, die den Aufstand geführt haben. Und die regieren jetzt. Ob Sprengsätze, Straßenbomben, Explosionen, Entführungen - das meiste davon ist weg. Im Großen und Ganzen ist das Land sicher und die Reisenden auch."
Das aber stimmt ganz offenbar nicht - im Gegenteil: Kaum ein Land dürfte so gefährlich sein wie Afghanistan. Am gefährlichsten ist sicher die Terrormiliz "Islamischer Staat", die immer wieder Anschläge verübt. Auch zu dem am vergangenen Wochenende hat sie sich bekannt. Er richtete sich demnach ausdrücklich gegen EU-Bürger.
Doch auch Taliban-Angehörige, vor allem in ländlichen Gegenden, haben Touristen schon festgehalten, manchmal Tage und Monate. Und wenn man man einen Unfall hat, ist es schwer, qualifizierte medizinische Hilfe zu bekommen. Nicht ohne Grund empfiehlt das Auswärtige Amt, wenn man doch unbedingt nach Afghanistan reisen müsse, vorher sein Testament zu machen.