COP27 in Ägypten Kein gutes Klima
Ägypten will sich als Vorreiter in Sachen erneuerbarer Energien zeigen. Doch die Realität sieht anders aus, denn das Gastgeberland der Weltklimakonferenz verdient viel Geld mit Gasexporten. Kritik daran ist kaum möglich
Stolz wird das Gastgeberland Ägypten in Videos präsentiert, will sich von seiner besten Seite zeigen. Und mit einem grünen Anstrich. In Sharm El-Sheikh wurden eilig Blumen gepflanzt und Solaranlagen auf die Dächer geschraubt, erzählen Beobachter.
Ahmed Mahina, Unterstaatssekretär im ägyptischen Elektrizitäts- und Energieministerium betont: "Ägypten gilt als Pionier im Bereich der erneuerbaren Energien, weil wir schon so viel erreicht haben. Unser ambitioniertes Ziel ist, dass spätestens im Jahr 2035 42 Prozent unserer Energie aus Erneuerbaren kommt."
Zwischen Plänen und Realität
Zwischen den großen Plänen und der Realität klafft jedoch eine beachtliche Lücke: Wie viel Energie tatsächlich bereits aus Erneuerbaren kommt, darüber existieren unterschiedliche Zahlen. Immerhin: Der größte Solarpark Afrikas steht in Ägypten.
Doch von dem eigenen Ziel, 42 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, sei das Land noch weit entfernt, sagt Julia Terrapon-Pfaff vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Der prozentuale Anteil an der Stromerzeugung liege derzeit bei "ungefähr zwölf Prozent" - davon kämen ungefähr sieben Prozent aus Wasserkraft und die restlichen fünf Prozent aus Solar- und Windenergie, die neu dazu gebaut worden sind.
Gasexport statt Erneuerbaren
Ein Grund dafür, dass Ägypten noch nicht weiter ist: Das Land hat erneuerbare Energien für den Eigenbedarf aktuell gar nicht dringend nötig. Ägypten hat eigene Gasvorkommen - und hofft, in der momentanen Energiekrise Gas exportieren zu können.
Der ägyptische Energieexperte Adel Bishara sagt dazu: "Es ist kein Geheimnis, sondern offiziell erklärt, dass wir den Energiesektor gebeten haben, momentan mehr Diesel in den Kraftwerken zu verbrennen, um Gas zu sparen. Damit das Gas verflüssigt exportiert werden kann, um unseren europäischen Kollegen zu helfen."
Oder anders gesagt: Um mit dem Gasexport kräftig Geld zu verdienen, nimmt Ägypten, Gastgeberland der Weltklimakonferenz, offenbar eine deutlich schlechtere CO2-Bilanz in Kauf. Richard Probst von der Friedrich Ebert Stiftung in Kairo sagt:
Das wird eine interessante Frage in Sharm El-Sheikh sein, inwiefern die ägyptische Verhandlungsführung das zusammenbringt: das eigene wirtschaftliche finanzielle Interesse an der Hebung der Gasvorkommen, der Verflüssigung von Gasvorkommen, und gleichzeitig eine Abwendung von fossilen Energieträgern - die notwendig ist, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.
Grüner Wasserstoff - für den Export
Da fossile Energien in Europa mittelfristig ein Auslaufmodell sein sollen, setzt Ägypten jetzt auch auf grünen Wasserstoff - ebenfalls für den Export. Ragia al-Gerzawy von der Menschenrechtsorganisation Egyptian Initiative for Personal Rights zeigt sich besorgt. Denn bei Investitionen in den Energiesektor gehe es nicht um die Prioritäten von Ägypten, sondern um die Prioritäten der reichen Länder.
"Die wollen grünen Wasserstoff. Wir nutzen unsere erneuerbare Energie, um den fürs Ausland zu produzieren, aber haben hier die Verschmutzung. Wir haben keine Strategie hier, wir sehen nur die wirtschaftliche Seite, wenn wir in grüne Projekte investieren", so al-Gerzawy.
Kritik kaum möglich
Kritik an dieser Politik findet man innerhalb Ägyptens kaum - die Meinungs- und Pressefreiheit ist stark eingeschränkt. Zwar habe es im Vorfeld der Klimakonferenz einige Entlassungen von Inhaftierten gegeben, doch zehntausende Regierungskritiker sitzen immer noch hinter Gittern, beklagen Menschenrechtsorganisationen.
Und eines will das autoritär regierte Land offenbar momentan um jeden Preis verhindern: öffentliche Kritik. Berichten zufolge wurden in den vergangenen Tagen mehr als 300, vor allem junge Menschen auf den Straßen willkürlich verhaftet.
Ist das Regime nervös? Schließlich gehörten Klimaaktivismus und Menschenrechtsfragen unmittelbar zusammen, so die Leiterin des Climate Action Networks CAN, Tasneem Essop: "Es wird sicherlich eine herausfordernde Konferenz in Ägypten. Wir sind überzeugt, und so sieht es auch die UN, dass es beim Klimawandel und bei Klimagerechtigkeit immer auch um Menschenrechte geht. Man kann die zwei nicht voneinander trennen."
Aktivisten hinter Gittern
Und gegen Menschenrechte werde in Ägypten reihenweise verstoßen, kritisieren Aktivisten. Einer der prominentesten Gefangenen in Ägypten ist der Blogger und politische Aktivist Alaa Abd el-Fattah, eines der Gesichter des sogenannten arabischen Frühlings. Er sitzt seit Jahren im Gefängnis, teilweise unter katastrophalen Umständen, berichten Angehörige.
Seit mehr als 200 Tagen befindet sich Abd el-Fattah in einem Hungerstreik, nimmt nur wenige Kalorien pro Tag zu sich. Während der Klimakonferenz wolle er nun auch nichts mehr trinken, heißt es - um der Welt zu zeigen, was in Ägypten vor sich geht. Seine Schwester Sanaa Seif appellierte kürzlich beim Parteitag der Grünen an die internationale Gemeinschaft:
Es gibt zehntausende politische Gefangene in Ägypten. Den meisten wird es wesentlich schlechter gehen, wenn die Welt einfach nach Sharm El-Sheich fliegt, da freundlich Hände schüttelt, ein paar Investitionen in grünen Wasserstoff macht und dann wieder wegfliegt. Warme Worte sind nicht genug! Unseren zivilgesellschaftlichen Gruppen wurde der Zugang zur Konferenz verweigert, Ägypter wurden im Vorfeld eingeschüchtert. Wir brauchen euch, die internationalen Delegierten, um für unsere Menschenrechte zu kämpfen!
Für Demos in die Wüste
Am 11. November könnte es möglicherweise zu Protestaktionen kommen, munkelt man, doch keiner weiß, was die Behörden zulassen. Auch die Demonstrationsmöglichkeiten in Sharm El-Sheikh wurden stark eingeschränkt, kritisieren Aktivisten.
Die Zeitung "The Guardian" berichtete, dass es einen überwachten, streng kontrollierten Bereich in der Wüste gebe, in dem angemeldete Demonstrationen erlaubt seien. Angemeldete, wohl gemerkt. Und längst nicht alle Nichtregierungsorganisationen wurden zur COP zugelassen.
Doch die Aktivisten sind sich einig: Den Mund wollen sie sich nicht verbieten lassen, bei der Weltklimakonferenz in Ägypten.