Ein Trump-Anhänger mit US-Flagge vor dem Kapitol

Sturm aufs Kapitol 2021 Trumps erfolgreiche Täter-Opfer-Umkehr

Stand: 06.01.2025 08:44 Uhr

Viele derjenigen, die 2021 das Kapitol gestürmt haben, sind zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Trump hat es allerdings erfolgreich geschafft, sie von Tätern zu Opfern zu stilisieren - zumindest bei seinen Anhängern.

Die Szene an diesem klirrend kalten Wochenende in Washington hat eine gewisse Ironie. Zwei SUV, gespickt mit Trump-Flaggen, parken zwei Blocks westlich des Kapitols. Gleich soll hier ein Solidaritätskorso für die Teilnehmer des Sturms aufs Kapitol stattfinden. Aber nur vier Leute sind gekommen.

"Sie wissen nicht, wo wir sind, wegen des Zauns", klagt Mitorganisatorin Jamie Crowe aus Pennsylvania. Der eigentlich vereinbarte Treffpunkt ist abgesperrt - Sicherheitsmaßnahme, um eine Wiederholung genau jener Ereignisse zu verhindern, die Jamie nach wie vor verteidigt.

Viele lange Haftstrafen

"Das Kapitol ist das Haus des Volkes, jeder darf da seine Meinung sagen", meint die 60-Jährige. Und: der 6. Januar 2021 sei ganz gewiss kein Aufstand gewesen - trotz mehr als 140 verletzten Polizisten und mehreren Todesfällen.

Die mehr als 1.500 teils gewalttätigen Demonstranten, die anschließend angeklagt und größtenteils auch schon verurteilt wurden - manche zu sehr langen Haftstrafen -, sind für viele Trump-Anhänger politische Gefangene.

Für Trump-Anhänger waren es "Schauprozesse"

Für Edward Young aus New Jersey beispielsweise. Der 65-Jährige, mit Trump-Schal und einem halben Dutzend Trump-Buttons auf der Jeansjacke, steht schon zum vierten Mal in den vergangenen vier Jahren vor dem DC Jail, dem Gefängnis der Hauptstadt, bei einer der täglichen Mahnwachen für die sogenannten "J6er".

"Ich gehöre eigentlich auch zu ihnen. Ich war am 6. Januar auch dabei. Ich bin nur nicht reingegangen. Aber das FBI war danach zwei Mal bei mir zu Hause, um mich unter Druck zu setzen und mir Angst zu machen." Frank aus New Jersey, der seinen Nachnamen nicht verraten will, ergänzt: "Das waren doch nur Schauprozesse, genau wie der gegen Donald Trump."

Von Tätern zu Opfern

In den vergangenen vier Jahren hat Donald Trump die "J6er" erfolgreich von Tätern zu Opfern stilisiert. Mal nannte er sie Märtyrer, mal sogar Geiseln. Teil seiner Wahlkampfauftritte war der Song "Justice for all". Eine Handyaufnahme von Inhaftierten, die die Nationalhymne singen - unterbrochen von Trump, der den "Pledge of Allegiance", den US-Fahneneid, zitiert.

In einem NBC-Interview vor einigen Wochen versprach Trump, die Straftäter von damals zu begnadigen: "Ich werde sehr schnell handeln. Schon am ersten Tag. Sie sind durch die Hölle gegangen."

Liz Cheney als parteiinternes Feindbild

Ins Gefängnis, so Trump im gleichen NBC-Interview, gehörten doch stattdessen Leute wie Liz Cheney. Die Republikanerin ist eine der Wenigen in ihrer Partei, die den alten und jetzt wiedergewählten Präsidenten persönlich für die Ausschreitungen damals verantwortlich macht.

Für ihre Parteifreunde ist sie seitdem eine Verrätern; für die Demokraten eine Volksheldin. Erst vor ein paar Tagen verlieh ihr US-Präsident Joe Biden deshalb die "Presidential Citizens Medal", die zweithöchste Auszeichnung für Zivilisten.

Demokraten versprechen friedliche Übergabe

Aktuelle Umfragen zeigen, dass Trumps Narrativ funktioniert, zumindest bei den eigenen Wählern: Knapp 70 Prozent finden laut einer Erhebung der Quinnipac University, dass die geplanten Begnadigungen richtig sind. Und Jamie aus Pennsylvania ist sicher, dass Trump sein Versprechen auch halten: "Ich glaube ihm jedes Wort."

Heute, am 6. Januar, wird der Kongress wieder das Ergebnis der Präsidentenwahl bestätigen. Kamala Harris, die Verliererin, wird als Noch-Vizepräsidentin die gemeinsame Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat leiten. Sie hat einen friedliche Machtübergabe versprochen. Und anders als die Republikaner vor vier Jahren plant kein Demokrat, Widerspruch gegen das Ergebnis einlegen.

Einsatzkräfte sind gewappnet

Die Sicherheitskräfte wollen trotzdem nichts dem Zufall überlassen: Tausende zusätzliche Polizisten aus dem ganzen Land sind im Einsatz. Es gebe zwar keine Hinweise auf geplante Gewalt oder größere Demonstrationen, so der Chef der Kapitol-Polizei, Tom Manger, aber: "Wir sind alle in höchster Alarmbereitschaft. Und wir sind alle sehr proaktiv, was die Vorsichtsmaßnahmen angeht."

Bei der Mahnwache am Wochenende für die Straftäter von damals glaubt auch keiner an einen neuen Sturm aufs Kapitol. "Die Demokraten haben einfach nicht die gleiche Chuzpe wie wir", sagt Frank. "Die wissen ja gar nicht, wofür sie aufstehen sollen. Weil sie für nichts stehen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Januar 2025 um 09:10 Uhr.