Experte zu Trump-Schuldspruch "Das kann am Ende den Unterschied machen"
Ex-US-Präsident Trump sieht den Schuldspruch als Teil einer Hexenjagd gegen ihn. Es sei jedoch keine "Lex Trump" kreiert worden, erklärt SWP-Experte Thimm. Bemerkenswert sei vor allem die Einstimmigkeit der Jury.
tagesschau24: Kam das Urteil in dieser Klarheit für Sie überraschend?
Johannes Thimm: Es war völlig unklar, wie die Jury urteilen würde. Es musste ja ein einstimmiges Urteil der Jury her. Es hätte also ein einziger Juror gereicht, um eine Verurteilung zu verhindern. Und die Tatsache, dass nun die ganze Jury einstimmig und in allen Anklagepunkten für schuldig gestimmt hat, ist schon bemerkenswert.
Johannes Thimm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind innenpolitische Entwicklungen in den USA, amerikanische Außenpolitik und transatlantische Beziehungen.
tagesschau24: Dieses Urteil sorgt für große Beachtung. Welche Reaktionen gibt es in den USA?
Thimm: Die Reaktionen sind ein Stück weit erwartbarer als das Urteil selbst. Die Anhänger von Trump sehen ihn natürlich als Opfer einer parteiischen Justiz. Sie glauben, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Trump sei Opfer einer Hexenjagd.
Der Rest der Bevölkerung nimmt das Urteil etwas anders zur Kenntnis. Aus ihrer Sicht hat der Rechtsstaat seine Arbeit geleistet. Der Staatsanwalt von New York, Alvin Bragg, hat schließlich betont, dass das ein Urteil sei, bei dem der Rechtsstaat gehandelt habe wie in jedem anderen Fall auch. Niemand stehe über dem Gesetz und es sei ohne jede Voreingenommenheit angewendet worden.
"Es wurde keine Lex Trump kreiert"
tagesschau24: Gleichzeitig ist ja das Justizsystem in den USA deutlich politischer, als wir das etwa aus Deutschland kennen. Was halten Sie von dem Vorwurf, dass das ein politisch motivierter Prozess gewesen sein könnte?
Thimm: Von den vier strafrechtlichen Verfahren, die gegen Donald Trump laufen, ist dieser Prozess, von den Vorwürfen aus betrachtet, das schwächste Verfahren. Es ging ja hier um die Schweigegeld-Zahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
Es musste eine komplizierte Konstruktion her, um New Yorker Recht mit dem Bundesrecht der USA zu verknüpfen, um diesen Bestand der Dokumentfälschung zu einem wirklichen Verbrechenstatbestand zu machen. Das ist kompliziert und damit auch weniger erdrückend als einige der anderen Vergehen, etwa die Anstachelungen zum Sturm auf das Kapitol oder die Einbehaltung geheimer Dokumente.
Dennoch bin ich der Meinung, dass das Gericht in diesem Fall so funktioniert hat, wie Gerichte funktionieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in New York Personen wegen Dokumentenfälschung angeklagt werden.
New York ist sozusagen die Geschäftshauptstadt der Welt. Da wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass Dokumente sehr wichtig sind, etwa bei Finanztransaktionen, und da werden diese Art von Vergehen auch sehr ernst genommen.
Das bedeutet, es wurde keine "Lex Trump" kreiert, nur um den Präsidenten zu verfolgen, sondern es ist ganz typisch für den Staat New York.
"Bewährungsstrafe gut möglich"
tagesschau24: Wir haben ein Urteil, aber wir haben noch keine Strafe. Können Sie abschätzen, in welchem Rahmen sich das Strafmaß, das ja erst im Juli bekannt gegeben werden soll, bewegen wird?
Thimm: Nein, das kann ich nicht. Es ist theoretisch eine Strafe von bis zu vier Jahren Gefängnis möglich. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass dieser Spielraum voll ausgeschöpft wird. Trump ist nicht vorbestraft.
Es könnte also gut sein, dass er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird. So oder so ist ja das Besondere daran, dass ihn das nicht davon abhält, weiterhin als Präsidentschaftskandidat zu kandidieren.
"Schuldspruch könnte Menschen von Wahl abhalten"
tagesschau24: Welchen Einfluss wird dieser Schuldspruch auf den Wahlkampf der Republikaner und auch der Demokraten haben?
Thimm: So ganz genau wissen wir das nicht. Es gibt Umfragen, aus denen hervorgeht, dass es schon einen Teil der Wählerinnen und Wähler gibt, auch unter den Republikanern zugeneigten Menschen, die sich davon beeinflussen lassen. Sollte Trump eines Verbrechens verurteilt werden, würde sie das davon abhalten, ihn zu wählen.
Das kann am Ende tatsächlich den Unterschied machen. Wir wissen aber auch nicht, ob sich Wähler letzten Endes genauso verhalten, wie sie das in den Umfragen sagen. Außer Frage steht ja, dass es den harten Kern der Trump-Unterstützer nicht davon abhalten wird, ihn zu wählen.
tagesschau24: Trumps Anwälte haben ja angekündigt, Berufung einzulegen. Wie wird Donald Trump aus ihrer Sicht aber nun mit dem Schuldspruch umgehen? Wird er ihn ignorieren oder eher Wahlkampf damit machen?
Thimm: Ganz sicher wird er damit Wahlkampf machen. Das hat er auch jetzt schon getan, beispielsweise mit Pressekonferenzen nach den Gerichtsterminen. Er geht damit um, wie er immer mit Vorwürfen gegen ihn umgeht. Er versucht, diejenigen zu diskreditieren, die die Vorwürfe erheben.
In diesem Fall versucht er auch, das Gericht und das ganze Justizwesen der USA zu diskreditieren. Das tut er schon länger - genauso wie er die verlorenen Wahlen 2020 infrage gestellt hat, versucht er jetzt, den gesamten Prozess als politisch motiviert abzutun. Gleichzeitig inszeniert er sich als Opfer. Das hilft ihm auch ein Stück weit dabei, seine Unterstützer zu mobilisieren und wieder Wahlkampfspenden einzusammeln.
Das Gespräch führte Jan Starkebaum für tagesschau24