Ende der US-Abschieberegelung Warten auf den großen Ansturm
Um Mitternacht läuft die US-Abschieberegelung "Title 42" aus, mit der illegale Migranten direkt zurückgeschickt werden konnten. Weil nun weitaus mehr Menschen kommen könnten, droht die Stimmung in Grenzstädten zu kippen.
Der Laster der städtischen Müllabfuhr im texanischen El Paso ist gerade im Dauereinsatz. Vor allem rund um die katholische Kirche in der Nähe des Grenzübergangs zu Mexiko haben die Reinigungskräfte viel zu tun. Auf den Gehwegen liegen Plastikplanen herum, die als Zelte benutzt wurden, genauso wie leere Wasserflaschen und Verpackungen von Schokoriegeln.
Hier übernachten immer wieder Migranten unter freiem Himmel, die in einer der Notunterkünfte keinen Platz mehr bekommen haben. "Über Tausend Menschen haben hier letztens auf dem Bürgersteig vor der Kirche gelegen", erzählt der katholische Bischof von El Paso, Mark Seitz. Seine Kirche betreibt vier Unterkünfte und versorgt dort mehrere Hundert Menschen. Doch die steigenden Zahlen der vergangenen Wochen überfordern Hilfsorganisationen genauso wie die Stadt.
In El Paso übernachten immer wieder Migranten unter freiem Himmel, die in einer der Notunterkünfte keinen Platz mehr bekommen haben.
El Pasos Bürgermeister, der Demokrat Oscar Leeser, hat den Notstand ausgerufen: "Vor Kurzem hat mich jemand gefragt, was lässt Sie nachts nicht schlafen, Herr Bürgermeister? Und dann habe ich geantwortet: Dass ich kein Licht am Ende des Tunnels sehe."
Trump hatte "Title 42" eingeführt
Mehrere Tausend Menschen überqueren die Grenze aus Mexiko bereits jetzt jeden Tag illegal, schätzen die Behörden. Beobachter fürchten, dass die Zahl auf 12.000 pro Tag steigen könnte. Auslöser ist das Ende des "Title 42" - eine Regel, die Ex-Präsident Donald Trump 2020 während der Corona-Pandemie eingeführt hatte.
Flüchtlinge an den Grenzen konnten direkt wieder zurückgeschickt werden - ohne Asylverfahren. Auch der aktuelle Präsident Joe Biden hatte zunächst daran festgehalten. Doch jetzt, wo sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen, entfällt auch für "Title 42" die Grundlage.
Nun muss es wieder Asylverfahren geben
Der Wegfall der Regel bedeutet allerdings nicht, dass es für Migranten einfacher wird, legal in die USA zu kommen. "Ganz im Gegenteil", betonte US-Innenminister Alejandro Mayorkas vor kurzem auf einer Pressekonferenz.
Denn wer ab Freitag bei der illegalen Einreise in die USA erwischt wird, kann am Ende trotzdem abgeschoben werden und obendrauf sogar noch eine mehrjährige Einreisesperre bekommen. Der Prozess dauert aber länger, denn es muss wieder ein Asylverfahren geben. Die Regierung hat zur Unterstützung zusätzliches Personal in die Grenzorte geschickt. Außerdem sollen sich potenzielle Migranten in speziell eingerichteten Zentren in anderen Ländern wie Kolumbien registrieren können oder auch per App.
"Für eine Weile wird es chaotisch werden."
Dass das jetzt Menschen aufhalten wird zu versuchen, die Grenze illegal zu übertreten, glaubt niemand. Auch Präsident Biden gibt zu: "Für eine Weile wird es chaotisch werden."
Biden hätte gerne ein komplett neues Asylsystem. Das würden die Republikaner im Parlament aber verhindern, sagt er. Die Republikaner werfen der Regierung wiederum Versagen bei der Migration vor. Sie hatten Biden aufgefordert, "Title 42" weiter bestehen zu lassen. Senator Lindsey Graham etwa rief der Biden-Administration zu: "Was zur Hölle muss noch passieren, damit ihr eure Politik ändert? Amerika wird belagert und ihr tut, als wäre nichts, während Amerika brennt."
Die Stimmung in El Paso könnte bei manchen kippen, wenn weiterhin jeden Tag immer mehr Menschen ankommen und die Müllberge weiter wachsen.
Stimmung könnte kippen
Vor Ort in El Paso kommt der politische Streit in der Hauptstadt gar nicht gut an. Sowohl Lokalpolitiker als auch Helfer wie Bischof Seitz verzweifeln daran: "Es ist bequem geworden für die politischen Lager, den jeweils anderen zu beschuldigen, für die Probleme verantwortlich zu sein" sagt er. Deshalb wirke es, als ob Demokraten und Republikaner unfähig seien, gemeinsam Lösungen zu finden.
Der Bischof befürchtet, dass in den nächsten Wochen deutlich mehr Migranten versuchen werden, auf gefährlicheren Wegen durch die Wüste in die USA zu kommen und dabei sterben. Die Menschen in El Paso seien zum größten Teil nach wie vor hilfsbereit. Aber die Stimmung bei manchen könnte kippen, wenn weiter jeden Tag immer mehr Menschen ankommen und die Müllberge weiter wachsen.