Schießereien und Lynchmorde UN besorgt über Bandengewalt in Haiti
Vor dem Hintergrund eskalierender Bandengewalt in Haiti hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres internationales Einschreiten gefordert. Medien berichten von Revierkämpfen und öffentlichen Lynchmorden.
Die Menschenrechtskrise im Karibikstaat Haiti verschärft sich weiter. Seit Jahren leidet das Land unter kriminellen Clans. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat daher den dringenden Einsatz internationaler Kräfte gefordert, um die eskalierende Bandengewalt einzudämmen.
Guterres mahnte in einem Bericht, dass die Unsicherheit in der Hauptstadt Port-au-Prince "ein Niveau erreicht hat, das mit Ländern in bewaffneten Konflikten vergleichbar ist". Die haitianischen Behörden meldeten 815 Tote für das erste Quartal 2023, im gleichen Zeitraum wurden 637 Menschen entführt. Immer wieder gibt es Kämpfe rivalisierender Gruppen, Protestaktionen und Plünderungen. Frauen und Mädchen werden vergewaltigt, für das Land gilt eine Reisewarnung.
Guterres fordert Intervention
Haiti ist das ärmste Land Amerikas. Neben häufigen Naturkatastrophen leiden die Menschen dort unter Korruption, Hunger und Krankheit. Auf Ersuchen von Premierminister Ariel Henry und des Ministerrates des Landes forderte der Chef der Vereinten Nationen einen internationalen Einsatz, um die Krise zu beenden. Bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrates im Januar zeigten aber weder die Vereinigten Staaten, die wegen früherer Interventionen in Haiti kritisiert wurden, noch Kanada Interesse daran, einen solchen Einsatz zu führen.
Die internationale Gemeinschaft entschied sich stattdessen dafür, Sanktionen zu verhängen und militärische Ausrüstung und andere Ressourcen zu schicken. Guterres bekräftigte in seinem Bericht an den Sicherheitsrat, dass der Einsatz einer internationalen Truppe entscheidend bleibe, um den haitianischen Behörden dabei zu helfen, die Gewalt einzudämmen und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Am Mittwoch soll über den Bericht beraten werden.
Nationalpolizei in Bedrängnis
Haitis eigene Sicherheitskräfte sind kaum in der Lage, der Situation Herr zu werden. Immer wieder gibt es Angriffe gegen Mitglieder der Nationalpolizei. "Seit Anfang 2023 wurden 22 Polizisten von Banden getötet", sagte Guterres. "Diese Trends werden sich voraussichtlich beschleunigen." Viele Beamte verließen aufgrund der anhaltenden Gewalt ihre Posten, so der Generalsekretär weiter. Es gebe Desertionen und Flucht ins Ausland.
Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Juli 2021 sind Haitis Banden mächtiger und gewalttätiger geworden. Derzeit führt der noch von Moise ernannte Premierminister Ariel Henry eine Übergangsregierung. Das Amt des Staatspräsidenten ist vakant. Laut Angaben der haitianischen Behörden stehen dem sieben große Banden-Zusammenschlüsse gegenüber, denen rund 200 Gruppen angehören.
Im Dezember schätzten die Vereinten Nationen, dass die gewalttätigen Gruppen etwa 60 Prozent von Port-au-Prince kontrollieren. Aus der Bevölkerung heißt es, die gesamte Hauptstadt würde von Banden kontrolliert.
Bandenmitglieder gelyncht
Angst und Zorn in der Bevölkerung entladen sich in nicht weniger gewaltsamen Akten. Laut Medienberichten sind am Montag mindestens 13 mutmaßliche Bandenmitglieder von einem aufgebrachten Mob gelyncht worden. Die Polizei hatte die Gruppe festgenommen. Videos in sozialen Netzwerken zeigen, wie die Menschen lebendig verbrannt wurden.
Vorausgegangen war in Canape-Vert im Großraum der Hauptstadt Port-au-Prince eine nächtliche Schießerei, die hunderte Familien zur Flucht zwang. Die festgenommenen Bandenmitglieder sollen Munition transportiert haben. "Zündet sie an" und "Wir bringen sie um" sollen die Menschen gerufen haben, als sie die in einem Bus transportierten Verhafteten erblickt hatten.