US-Präsidentschaftskandidatur Verzichtet Biden doch noch?
Dass US-Präsident Biden zur Wiederwahl antritt, gilt eigentlich als sicher. Doch eine Umfrage könnte den 80-Jährigen unter Druck bringen: In fünf von sechs Wechselwähler-Staaten liegt er deutlich hinter Trump.
"Amerikas Führungsstärke hält die Welt zusammen" - wenn Joe Biden solche Sätze sagt, wie in seiner Rede nach dem Hamas-Angriff auf Israel, dann ist er in seinem Element. Doch mit Weltpolitik allein lassen sich in den USA keine Wahlen gewinnen.
Das hat auch die von der "New York Times" am vergangenen Sonntag veröffentlichte Umfrage deutlich gemacht. In fünf von sechs Swing States - den Wechselwähler-Staaten, die bei jeder Präsidentschaftswahl den Ausschlag geben - liegt Biden derzeit deutlich hinter Donald Trump.
Politische Kommentatoren wie John King bei CNN wirken aufgeschreckt wie selten: "Der Präsident läuft Gefahr, in all den Bundesstaaten zu verlieren, die er das letzte Mal zu seinen Gunsten gedreht hat. Und die Gründe sind: Enttäuschung über die Wirtschaftslage und die Frage, ob er zu alt ist."
"Sie fühlten sich besser, als Trump im Amt war"
Auch bei Kongressabgeordneten aus Bidens Partei hat die Umfrage förmlich eingeschlagen: "Es ist wirklich beängstigend", sagt Jasmine Crockett, Demokratin aus Texas. "Es geht um das Gefühl der Leute, vor allem was die Wirtschaft betrifft. Die Daten sind objektiv gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Inflation geht zurück. Aber die Leute denken immer noch, die Benzinpreise waren niedriger, sie fühlten sich besser, als Trump im Amt war."
Seit Biden erklärt hat, dass er nochmal antritt, hat keine prominente Stimme der Demokraten offen dagegen gehalten. Die Selbsthilfe-Autorin Marianne Williamson ist chancenlos. Der Impfgegner Robert Kennedy will inzwischen als unabhängiger Kandidat antreten. Allein der Kongressabgeordnete Dean Phillips ließ Ende Oktober kurz aufhorchen, als er ankündigte, bei den Vorwahlen gegen Biden anzutreten: "Ich muss es tun", sagte Phillips bei CBS. "Präsident Biden hat einen spektakulären Job für unser Land gemacht. Aber es geht nicht um die Vergangenheit. Es geht bei der Wahl um die Zukunft."
Mehrere Demokraten positionieren sich eher für 2028
Die Botschaft lautet: Biden soll jemand Jüngerem Platz machen. Phillips ist zu unbekannt und wenig profiliert, um selbst eine Chance zu haben. Doch der Politikberater und Meinungsforscher Frank Luntz nennt bei CNN gleich mehrere Alternativen: "Es könnte Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien, sein, Cory Booker, Senator aus New Jersey, Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan. Sie alle sind großartige Kandidaten."
Die Genannten unterstützen offiziell Biden. Gleichzeitig positionieren sie sich - etwa mit dem Eintreiben zusätzlicher Wahlkampfgelder - bereits für das Jahr 2028, wenn Biden definitiv nicht mehr antreten kann. Damit halten sich Newsom oder Whitmer aber auch als Ersatzkandidaten für 2024 bereit, falls Biden doch noch von sich aus verzichtet. Dann könnte auch Vizepräsidentin Kamala Harris noch einmal ins Spiel kommen.
"Sie alle haben am Schluss gewonnen"
Doch ist ein Rückzug Bidens realistisch? Kaum, meint Jim Messina, der für Barack Obama Wahlkämpfe organisierte. Schlechte Umfragen ein Jahr vor der Wahl - das habe es schon oft gegeben, betont er bei CNN: "Zum gleichen Zeitpunkt lag George Bush zurück, lag Bill Clinton zurück, lag Barack Obama zurück. Und sie alle haben am Schluss gewonnen."
Auch der Dienstag dieser Woche, Wahltag in mehreren Bundesstaaten, hat Biden bestärkt, zu bleiben. In Ohio und Virginia etwa punkteten seine Demokraten mit dem Thema Grundrecht auf Abtreibung.
Am Ende könnte wohl nur ein Mensch Biden zum Rückzug bewegen: seine Frau. Jill Biden gilt als wichtigste Beraterin im Hintergrund. Doch auch sie wurde zuletzt sinngemäß mit den Worten zitiert: Wer sonst soll die Demokraten und das Land zusammenhalten? Nur Joe kann es machen.