Hilfsprojekte im Südsudan Kein Geld mehr für Notunterkünfte und Medikamente?
In Krisenländern wie dem Südsudan stehen deutsche Nothilfeprojekte vor dem Aus. Der Etat des Auswärtigen Amts für humanitäre Hilfe ist stark gekürzt worden. Was bedeutet das für die Betroffenen?
Wenn Frau Amath Aluk Adup aus ihrem Verschlag aus Grasbüscheln und Zweigen kriecht und hinüber zur anderen Seite des staubigen Lagers schaut, dann kann sie die Gegensätze in ihrem Camp mit bloßem Auge erkennen.
Auf der einen Seite, fernab der sandigen Schotterpiste des Ortes Mathiang Dut Akot im abgelegenen Nordwesten des Südsudan, stehen feste Notunterkünfte aus grauen Zeltwänden und Wellblechdächern. Sie wurden mit deutschen Nothilfe-Geldern bezahlt, um Vertriebene und Geflüchtete zu unterstützen.
Auf der anderen Seite leben dagegen diejenigen, für die kein Geld mehr da ist - obwohl auch sie vertrieben wurden und sich in der gleichen Notlage befinden. Hier leben Menschen wie Amath Aluk Adup in primitiven Verschlägen aus Gras, die kaum vor der glühenden Hitze schützen. Staub dringt durch die vertrockneten Büschel. Der anstehende Regen wird die windschiefen Konstruktionen wohl leicht fortspülen.
Sie essen Blätter von den Bäumen
Im Februar ist die 29-jährige Amath Aluk Adup mit ihren vier Kindern aus einer umkämpften Region des Südsudans in das staubige Elend des Camps Mathiang Dut Akot geflohen. Ein Baby wimmert auf ihrem Schoß, der Junge hat Fieber. Schweiß strömt von seiner Stirn, und Fliegen umschwirren den Schleim, der aus seiner Nase rinnt. Es sind 42 Grad im Schatten.
Jetzt schläft die Familie auf dem nackten Sandboden des Verschlags. "Wir leben von Blättern, die ich von den Bäumen pflücke", erzählt Amath Aluk Adup. Die anstehende Regenzeit macht ihr Sorgen. "Eine solide Hütte würde uns sehr helfen", sagt sie. Aber drüben, auf der anderen Seite des Camps, sind alle Notunterkünfte schon voll.
Notunterkünfte bezahlt vom Auswärtigen Amt
In den 90 festen Notunterkünften leben rund 120 geflohene oder vertriebene Familien. Die Hilfsorganisation World Vision hat die Hütten gebaut - mit rund 68.000 Euro aus dem Etat für humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amts. Auf den Zeltwänden prangen bunte Deutschlandfahnen. 90 Unterkünfte waren geplant, 90 werden gebaut, berichtet die NGO.
Sie sind Teil eines deutschen Projekts, das akute Nöte in Ostafrika lindern soll: wie Unterernährung, Kindersterblichkeit oder Vertreibung. Allerdings läuft das Projekt im Juni 2024 aus. Eine Weiterfinanzierung ist laut World Vision zwar beantragt, aber bislang ohne Antwort geblieben.
Das Auswärtige Amt äußert sich auf Anfrage nicht zu konkreten Förderungsplänen. Heißt für das Camp: Es kommen zwar immer mehr neue Vertriebene an, aber Geld für weitere Notunterkünfte ist bisher nicht in Sicht.
Für solche befestigten Notunterkünfte wie diese in Mathiang Dut Akot könnte bald kein Geld mehr da sein.
Weniger Geld für humanitäre Hilfe
Ein Grund dafür sind auch die Sparpläne der Bundesregierung. Der Etat des Auswärtigen Amts für die humanitäre Hilfe ist zuletzt um etwa 500 Millionen Euro gekürzt worden. Das ist ein Minus von rund 18 Prozent im Vergleich zu 2023. Standen im vergangenen Jahr noch rund 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung, sind für 2024 rund 2,2 Milliarden eingeplant.
Dabei hatte die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag noch das Gegenteil vereinbart. SPD, Grüne und FDP hatten sich eigentlich darin verpflichtet, die Gelder für humanitäre Hilfe "bedarfsgerecht zu verstetigen und zu erhöhen".
Weitere Kürzungen sind in den anstehenden Haushaltsdebatten möglich. Das Auswärtige Amt hat zwar einen höheren Gesamtetat angemeldet, aber insbesondere Finanzminister Christian Lindner dringt auf niedrigere Ausgaben der Ressorts. Das Auswärtige Amt schreibt, es äußere sich nicht zur aktuellen Haushaltsaufstellung.
Steigender Bedarf in Krisenländern
Gleichzeitig steigt global der Bedarf an internationaler Hilfe. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren noch nie so viele Menschen auf Hilfe angewiesen wie in diesem Jahr. Neben Kriegsgebieten wie der Ukraine und dem Gaza-Streifen zählen auch Krisenländer wie der Südsudan dazu.
Das Land gehört zu den fragilsten und am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Mehr als 80 Prozent der Männer, Frauen und Kinder sind von Armut betroffen. Millionen Menschen leben mit Hunger, mehr als jedes zehnte Kind ist unterernährt, schätzen die Vereinten Nationen. Dürren und Überschwemmungen haben das Land gezeichnet. Im Nachbarland Sudan tobt ein Bürgerkrieg, vor dem Hunderttausende fliehen. Kämpfe zwischen Clans und Stämmen innerhalb des Südsudans sowie Überschwemmungen haben noch mehr Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
"Kinder werden sterben"
Auch Thomas Hedaggo, der regionale Projektmanager von World Vision Deutschland, sieht eine unverändert hohe Hilfsbedürftigkeit im Südsudan. "Die Probleme gehen weiter. Menschen werden vertrieben, weil Konflikte andauern."
Auch im staubigen Lager Mathiang Dut Akot kämen fortlaufend neue Vertriebene und Geflüchtete an, so Hedaggo. Er fordert die Bundesregierung auf, die humanitären Gelder nicht zu kürzen, um Hilfsprojekte fortführen zu können. "Ohne Finanzierung werden Menschen leiden", so Heddago. "Kinder werden unterernährt sein, Kinder werden sterben."
Wer in Mathiang Dut Akot keinen Platz in einer befestigten Unterkunft findet, muss in einfachsten Verschlägen aus Gras zurechtkommen.
Kein Geld, keine Medikamente
Was es bedeutet, wenn kein Nachschub an Hilfe mehr kommt, kann der 49-jährige Kang Angui inzwischen in seiner hölzernen Medikamentenbox beobachten: Die Kiste leert sich, schon jetzt hat er kein Amoxiphilin mehr vorrätig, ein Antibiotikum, das er bei Lungenentzündungen ausgibt. Denn im März ist die deutsche Förderung für seine Medikamentenbox ausgelaufen.
Im Schatten eines ausladenden Baumes versorgt er als provisorischer Kinderarzt Babys und Kleinkinder in Makongo Base, seinem Heimatdorf im Südsudan. Mit blauen Einweghandschuhen und einer Plastikpipette träufelt er einige Blutstropfen des anderthalbjährigen Achu auf einen Malaria-Einwegtest.
In einem sechstägigem Crashkurs hat die deutsche Organisation Johanniter ihn und andere geschult, wie Malaria, Durchfall, Atemwegserkrankungen und Unterernährung erkannt und rudimentär behandelt werden können. Ein Projekt, ebenfalls finanziert durch humanitäre Gelder des Auswärtigen Amts.
Rund 15 kranke Kinder und ihre Mütter suchen pro Woche seine Hilfe, schätzt er. In der Regenzeit, wenn Malaria und Durchfall zunehmen, sogar noch mehr. "Die Mütter kommen von weit her zur Behandlung", erzählt Kang Angui. Die Kindersterblichkeit im Dorf sei dank der Schulungen und Medikamente aber spürbar gesunken.
Inzwischen verwalte er allerdings nur noch die Reste der Medikamente. "Die Mütter fragen jedes Mal, was los ist", so Angui Kang. Sobald die Box leer ist, könne er nichts weiter als gute Ratschläge geben. "Dann verliere ich die Hoffnung."
Kang Angui befürchtet, dass er bald keine Medikamente mehr für kranke Kinder hat und nicht mehr bieten kann als tröstende Worte.