Eine Gruppe katholischer Gläubiger jubelt.
Reportage

Papstbesuch im Südsudan Hoffnungsträger im Land ohne Frieden

Stand: 03.02.2023 11:17 Uhr

Der Südsudan ist auch nach Ende des Kriegs 2018 von Hunger, Naturkatastrophen und Gewalt gebeutelt. Viele Menschen freuen sich jetzt auf den Papst - und haben hohe Erwartungen an ihn.

Ein verfallenes Feuerwehrgelände als Flüchtlingsunterkunft: James Gatwak steht der Horror ins Gesicht geschrieben, wenn er von dem erzählt, was ihm und den anderen Menschen seines Dorfes erst vor Kurzem geschehen ist.

"Nachts steckten Kämpfer die Hütten der Menschen an, auf der Flucht rissen sie unseren Frauen die Kinder aus den Händen", sagt er. Ohne Essen sei man durchs Land geirrt, sei aus dem Bundesstaat Jonglei hierher nach Malakal im Bundesstaat Upper Nile gewandert. Viele Menschen seien unterwegs gestorben: "Alte, die nicht mehr laufen konnten, mussten wir zurücklassen, Babys sind im Wasser ertrunken."

Er blickt sich um. Hinter ihm sitzen ein paar Dutzend Menschen wortlos im Staub. Wie es jetzt für sie alle weitergeht? Gatwak weiß es nicht. "Sagen Sie der Welt, wie schlecht es uns geht", bittet er den Reporter. "Vielleicht haben die ja da draußen noch gar nicht mitbekommen, das bei uns wieder Krieg herrscht."

Krieg im Südsudan? Endete der nicht 2018, als Präsident und früherer Rebellenführer nach einem fünfjährigen Konflikt ein Abkommen schlossen und eine gemeinsame Übergangsregierung in dem erst 2011 unabhängig gewordenen Staat formten? "Ja, unten in der Hauptstadt Juba mag man von Frieden reden, aber hier oben gibt es den nicht", sagt ein Mitarbeiter einer UN-Organisation, der nicht namentlich genannt werden will.

Kurz vor der Ankunft des Papstes gab es im Bundesstaat Zentral-Äquatoria einen Gewaltausbruch. Bei Zusammenstößen südlich von Juba kamen mindestens 20 Menschen ums Leben. Hintergrund soll eine Racheaktion von Viehhirten gewesen sein, die zuvor von unbekannten bewaffneten Gruppen überfallen worden waren.

Papst Franziskus besucht Krisenregion Südsudan

Simon Riesche, ARD Kairo, tagesthemen, tagesthemen, 03.02.2023 21:45 Uhr

Fortwährende Gewalt auch nach dem Krieg

Wenn man mit den verzweifelten Menschen ins Gespräch kommt, die in den letzten Wochen nach Malakal gekommen sind, bestätigt sich diese Einschätzung. Das schon jetzt völlig überfüllte Flüchtlingscamp der Vereinten Nationen wird jeden Tag voller.

Familien, die es nicht hineinschaffen, harren in den Ruinen der zerstörten früheren Frontstadt aus. Sie berichten von Kämpfern der sogenannten White Army, die in Jonglei und Upper Nile zuletzt wieder vermehrt ihr Unwesen trieben: Exekutionen, Vergewaltigungen, Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten.

Internationale Beobachter bestätigen die Schilderungen, aber Zahlen zur Größenordnung der Gräueltaten sind schwer zu bekommen. In Kodok, einem Dorf etwa 50 Kilometer nördlich von Malakal, das für Helfer wegen Überschwemmungen nur noch per Boot erreichbar ist, berichtet der Regierungskommissar Paul Ajak, dass während der Gewaltwelle der letzten Monate in der Gegend 3000 Menschen ihr Leben verloren hätten. Dass es so viele waren, bezweifeln Experten des UN-Flüchtlingshilfswerks stark - bekräftigen aber, dass die Lage gleichermaßen dramatisch wie unübersichtlich sei.

Schwelende Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen

Das zeigt sich nicht zuletzt, wenn man die Frage zu beantworten versucht, wer hier eigentlich gerade gegen wen kämpft. Die White Army etwa ist eine Miliz der Bevölkerungsgruppe der Nuer, die es im Norden des Landes derzeit vor allem auf Angehörige der Murle und Shilluk abgesehen hat. Die und andere Gruppen verfügen ebenfalls über eigene Verbände von Kämpfern. Aber ist "Kämpfer" überhaupt das richtige Wort, wenn die Konfliktführung zu großen Teilen daraus besteht, Zivilisten zu terrorisieren?

Zudem gilt im Südsudan, einem der korruptesten Staaten der Welt, dass militärisch-politisch-strategische Allianzen häufig wechseln, gerade auch, was die Unterstützung durch die Armee der südsudanesischen Regierung betrifft. Seit dem Deal zwischen Präsident Salva Kiir, einem Angehörigen der Bevölkerungsgruppe der Dinka, und Vizepräsident Riek Machar, dem früheren Nuer-Führer, ist die Führung in Juba auf dem Papier zwar multiethnisch, wird aber doch weiterhin vor allem von den Dinka dominiert.

Die Dinka, mit mehr als einem Drittel der südsudanesischen Bevölkerung die größte ethnische Gruppe, und die Nuer, mit etwa 15 Prozent die zweitgrößte, bekriegten sich zwischen 2013 und 2018. Hunderttausende Menschen starben, Millionen wurden zu Vertriebenen im eigenen Land. Noch immer sind sich die Kontrahenten in Juba alles andere als grün, weswegen die fortwährende Gewalt in manchen Landesteilen zu einem gewissen Grad immer auch Stellvertreterkriege sind.

 

Papst Franziskus begrüßt Gläubige in der Demokratischen Republik Kongo.

Papst Franziskus befindet sich auf einer sechstägigen Reise in der Demokratischen Republik Kongo und dem Südsudan. Hier begrüßen ihn Gläubige an einer Kathedrale in Kinshasa.

Bürger erhoffen sich viel vom Papstbesuch

Und jetzt? Kann der Besuch des Papstes in dem von Gewalt zerrütteten Land, das wegen seiner Bodenschätze und fruchtbaren Böden eigentlich ein reiches ist, wirklich irgendetwas zum Besseren bewegen?

Viele Südsudanesen erwarten vom Gast aus Rom nicht weniger als ein Wunder. "Wir hoffen, dass der Papst uns Sicherheit und Harmonie bringt", sagt etwa Abraham Chol, der als Lehrer im Flüchtlingslager Malakal in einer katholischen Einrichtung arbeitet.

Nicht nur ihm ist die große Geste von 2019 in Erinnerung geblieben, als der Pontifex Präsident und Vizepräsident in Rom die Füße küsste und so auf eine Fortsetzung des Friedensprozesses einschwor. Wird es nun auch einen neuen Dialog zwischen Regierung und denjenigen Rebellengruppen geben, mit denen es bisher kein Abkommen gibt? Es deutet vieles darauf hin, denn die "Rom-Gespräche" sollten wiederaufgenommen werden, heißt es dieser Woche aus Juba.

Spendenbereitschaft seit Ukraine-Krieg gesunken

"Wir brauchen einen neuen Südsudan, in dem alle Probleme verschwinden und echter Frieden herrscht", sagt Lehrer Chol. Vertreter von Hilfsorganisationen sehen die ganze Sache pragmatischer. Sie hoffen einfach, dass der Papst-Besuch die Aufmerksamkeit der Welt wieder etwas mehr in Richtung Südsudan lenken möge.

Vor allem seit Beginn des Krieges in der Ukraine vor einem Jahr habe sich das Interesse internationaler Geber und Privatspender für Afrika und damit auch den Südsudan dramatisch verringert. Die Projekte der Vereinten Nationen im Land sind stark unterfinanziert.

"Die Menschen erwarten sehr sehr viel von diesem Besuch", Simon Riesche, ARD Kairo, zum Papstbesuch im Süd-Sudan

tagesschau24 14:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 03. Februar 2023 um 06:41 Uhr.