Südafrika "Bei dieser Wahl ist alles möglich"
Steht Südafrika vor einem politischen Wandel? Der Druck auf Präsident Ramaphosa ist hoch, viele Menschen sehnen sich nach einem Wechsel. Der ANC könnte nach drei Jahrzehnten seine absolute Mehrheit verlieren.
Lange Schlangen vor vielen Wahllokalen, gespannte Erwartung liegt in der Luft. Ein bisschen ist es so wie bei der ersten freien und demokratischen Wahl vor 30 Jahren. Damals wie jetzt geht es um sehr viel. Falls der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) nach 30 Jahren Alleinherrschaft - wie von den Umfragen vorhergesagt - tatsächlich die absolute Mehrheit verliert, steht das Land vor einer Zeitenwende.
Staatspräsident und ANC-Chef Cyril Ramaphosa ist zum Wählen nach Soweto gekommen, in seine Heimatgemeinde Chiawelo, und verbreitet demonstrativ Zuversicht: "Die Menschen Südafrikas werden dem ANC eine klare Mehrheit geben", sagt Ramaphosa. "Daran habe ich in meinem Kopf und meinem Denken nicht den geringsten Zweifel."
Viele Wählerinnen und Wähler hoffen dagegen auf einen politischen Wandel. Vor allem die jungen Leute wünschen sich angesichts von Wirtschaftskrise, Kriminalität und Armut von ihrer Regierung bessere Bildung, mehr Sicherheit und neue Arbeitsplätze. Etwa Erstwählerin Sibusisiwe: Sie will Politiker ins Amt bringen, die den Menschen Jobs verschaffen.
Viele trauen dem ANC die Lösung der Probleme nicht mehr zu
Auch die ständigen Stromausfälle, die Wasserkrise, die Korruption und die steigenden Lebenshaltungskosten machen den Menschen zu schaffen. Viele trauen dem ANC die Lösung der Probleme nicht mehr zu. "Wir brauchen einen Wechsel, alles wird teurer, es muss jemand her, der dieses Land wieder in Ordnung bringt", findet Hussein Mulla.
Knapp 28 der 42 Millionen Wahlberechtigten haben sich für die Abstimmung registriert, etwas mehr als vor fünf Jahren. Und das Ergebnis ist so ungewiss wie noch nie. Bei so manchem liegen die Nerven blank. Am Wochenende hatte Staatschef Ramaphosa in einer Rede zur Lage der Nation die Erfolge seiner Regierung aufgezählt - und damit die Opposition auf die Palme gebracht. Die spricht von verbotener Wahlwerbung auf Staatskosten und verlangt, dass die unabhängige Wahlkommission das ANC-Ergebnis um einen Prozentpunkt kürzt.
Der Präsident weist die Vorwürfe zurück: "Unsere Regierung geht zu Ende und ich wollte den Menschen in Südafrika deutlich machen, dass sie bei dieser Wahl die Partei wählen können, die sie wollen", rechtfertigt sich Ramaphosa. "Wir haben gemeinsam sehr viel Arbeit geleistet, um dieses Land voranzubringen. Und ich habe sehr bewusst gesagt, dass ich mit dem Wir alle Südafrikaner meine."
Die Abstimmung läuft bislang größtenteils störungsfrei
Die aktuellen Umfragen sagen dem ANC eine schwere Schlappe voraus. Auch John Steenhuysen, Chef der größten Oppositionspartei, der Democratic Alliance, geht davon aus, dass die Alleinherrschaft der ehemaligen Mandela-Partei nach dieser Wahl Geschichte ist: "Keine Partei wird die absolute Mehrheit holen", so der Politiker. "Zum ersten Mal seit 30 Jahren gibt es die Chance auf einen Wechsel. Bei dieser Wahl ist alles möglich."
28 Millionen Wähler und Wählerinnen haben sich für die Abstimmung in Südafrika registriert.
Bislang läuft die Abstimmung größtenteils störungsfrei, von kleineren Zwischenfällen abgesehen. Nicht alle Wahllokale hatten pünktlich geöffnet. Außerdem wurden einzelne Wählerinnen und Wähler abgewiesen, weil sie sich nicht vorab hatten registrieren lassen. Andere waren im falschen Stimmbezirk. Auch die befürchtete Gewalt ist weitgehend ausgeblieben. Nur in der Nordwest-Provinz feuerten die Sicherheitskräfte mit Gummigeschossen auf Demonstranten, es gab Verletzte und einige Festnahmen. Um für einen geregelten Ablauf der Wahl zu sorgen, hatten die Behörden tausende Polizisten mobilisiert, auch die Armee war im Einsatz.
Die große Mehrheit der Wähler ist froh, dass sie von ihrem demokratischen Recht in einer friedlichen Atmosphäre Gebrauch machen kann. "Ich gehe zur Wahl, weil ich ein besseres Leben will“, sagt ein Mann. So wie er dürften in Südafrika gerade viele denken.