Frauenrechte in Westafrika Kippt Gambia das Verbot der Genitalverstümmelung?
Seit 2015 ist in Gambia weibliche Genitalverstümmelung, beschönigend auch Beschneidung genannt, verboten. Nun berät das Parlament darüber, das Gesetz zurückzunehmen. Frauenrechtler in ganz Westafrika schlagen Alarm.
Mitte März wurde es vor Gambias Parlament ohrenbetäubend laut: Gegnerinnen und Befürworterinnen weiblicher Genitalverstümmelung versuchten sich gegenseitig mit ihren Gesängen zu übertönen. Und mit ihren Rufen - die aus Sicht der Gegnerinnen nichts anderes sind als "Notrufe": Wir sind hier, um klarzustellen, dass dieses Gesetz nicht abgeschafft werden darf. Denn das hätte gesundheitliche Folgen für die Frauen und die jungen Mädchen in diesem Land", erklärt Juana Mendy, die mithilfe eines "Netzwerks gegen geschlechterbedingte Gewalt" für die Rechte der Frauen kämpft.
Welch schwere Schäden und Qualen - seelische wie körperliche - die Genitalverstümmelung mit sich bringen kann, ist medizinisch hinreichend belegt. Weshalb sie international geächtet ist.
Der Abgeordnete Almameh Gibba hingegen argumentierte im Parlament, das Verbot hindere die mehrheitlich muslimische Bevölkerung daran, ihre Kultur und ihre Religion frei auszuüben: "Die Beschneidung ist eine kulturell wichtige Praxis, die von den Werten und der Tradition des Islam getragen wird."
Frauenrechtlerinnen weltweit hingegen weisen beständig darauf hin, dass der blutige Eingriff im Koran weder seine Wurzeln noch sonst eine Grundlage hat. Ja, dass man die Praxis sogar als "un-islamisch" bezeichnen kann.
"Ein unbeschreiblicher Rückschritt"
Trotzdem versuchen Geistliche auch in Gambia, das seit 2015 herrschende Verbot als Verstoß gegen religiöse Regeln zu brandmarken: Als vor wenigen Monaten erstmalig drei Frauen wegen von ihnen vorgenommener Verstümmelungen gerichtlich verurteilt wurden, war sofort ein Imam zur Stelle, der ebenso bereitwillig wie öffentlichkeitswirksam anbot, die Geldstrafen zu übernehmen.
Doch auch die senegalesische Aktivistin Safiétou Diop Fall erklärt: Der Koran schreibe die Verstümmelung eben nicht vor. Bliebe die Praxis künftig straffrei, wäre das eine Katastrophe: "Es ist ein unbeschreiblicher Rückschritt. Ein Rückschlag beim Eintreten für Frauenrechte und deren Akzeptanz" - der durch nichts zu rechtfertigen sei, wie sie betont.
Angst vor Signal an weitere Staaten
Obwohl der schwere Angriff auf den weiblichen Körper in Gambia unter Strafe steht, findet er im Geheimen weiter statt. Laut Statistiken sind hier rund drei Viertel aller Mädchen und Frauen im Alter von 15 und 49 beschnitten. Es gibt auch Mütter, die die Praxis befürworten, weil sie glauben, ihre Töchter so einfacher verheiraten zu können - weshalb es laut Experten auch in erster Linie Aufklärungskampagnen sind, die Abhilfe schaffen können.
Kippt aber das Verstümmelungsverbot in Gambia, so die Sorge, könnte das eine ganze Kaskade weiterer Maßnahmen nach sich ziehen und hart erkämpfte Errungenschaften bei der Gleichstellung der Frau zurückdrehen - und könnte auf ganz Westafrika ausstrahlen, indem es auch in anderen Ländern Verfechter der brutalen Praxis anstachele, warnt Aktivistin Fall aus dem Nachbarstaat Senegal.
Präsident Barrow schweigt sich aus
Weltweit haben nach UN-Schätzungen mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen die Tortur über sich ergehen lassen. Der britische Außenminister David Cameron ließ in einem Tweet schon mal an die Adresse Gambias kundtun, dass "die Welt zusieht". Denn eigentlich hat sich das Land durch internationale Vereinbarungen zum Schutz von Frauen und Kindern bekannt.
Bislang jedoch hat diese Art von Druck zum Leidwesen des Westens noch nicht dazu geführt, dass Gambias Präsident, Adama Barrow, eindeutig Stellung gegen die Genitalverstümmelung bezogen hätte. Genau das tut aber der Parlamentarier Gibbi Mballow: "Ich habe auf den Koran geschworen, dass ich die Interessen dieses Landes verfolgen werde. Und dieses Gesetz ist gegen die Interessen dieses Landes gerichtet. Und deshalb muss es gestoppt werden", versuchte der Politiker seinen Parlamentskollegen - begleitet von heftigen Schlägen auf das Rednerpult - geradezu einzuhämmern.
Zunächst ist der Gesetzentwurf für eine Rücknahme des Verbots nun an einen Parlaments-Ausschuss verwiesen worden - damit dort weitere Argumente gehört werden können. Doch gestoppt - oder "gekillt" - wie es sich der Abgeordnete Mballow wünscht, ist er damit nicht. Denn anschließend soll erneut abgestimmt werden. Die Gefahr, dass Gambia eine unheilvolle Reise in die Vergangenheit antritt, ist also keinesfalls gebannt.