Baerbock in Afrika Staatstragend - und doch zum Anfassen
Bisher war Annalena Baerbock vor allem auf internationalen Krisenkonferenzen zu sehen - in Afrika zeigt sich die Außenministerin von einer anderen Seite: Sie will auch die Menschen kennen lernen.
Annalena Baerbock übt Wassertragen mit einer Holzstange über der Schulter und zwei festgebundenen Eimern an den Seiten - eine traditionelle afrikanische Art, Wasser zu holen. "Wie mache ich das richtig?", fragt die deutsche Außenministerin, und alle wollen ihr helfen. Ein Riesenspaß für die Frauen in dem kleinen Dörfchen Ouallam in Niger, sie lachen sich kaputt. So hatten sie sich eine Ministerin nicht vorgestellt. Die mitreisenden Journalisten filmen die Szene. Kurz darauf ist sie der Hit in den sozialen Netzwerken.
Baerbock verwandelt sich, sobald sie auf normale Menschen trifft, umgehend in eine Außenministerin zum Anfassen - vor allem, wenn sie Frauen und Kinder sieht. Bei der Ankunft kurz zuvor in Ouallam stehen die Bewohner Spalier: Männer links, Frauen rechts. Baerbock lässt im wahrsten Sinne des Wortes die Männer links liegen und marschiert umgehend zu den Frauen mit den Kindern. Sie fragt nach Namen und Alter, und erzählt auch gern, dass sie selbst Töchter hat. Das bricht das Eis.
Mit dem Versuch, die traditionellen Wassereimer zu tragen, konnte Baerbock das Eis brechen.
Deutlicher Kontrast zu Maas
Baerbock ist das völlige Gegenteil ihres etwas steifen Vorgängers Heiko Maas. Nie im Leben hätte der vor kichernden Afrikanerinnen eine Wassertrage ausprobiert. Baerbock sieht das anders: "Man macht Politik ja nicht für Hauptstädte oder für Paläste. Sondern mein Verständnis ist, Politik für Menschen zu machen", erklärt sie.
Natürlich kann auch sie die Nummer mit den Palästen. In Mali hielt sie tags zuvor auf dieser Reise mit steinerner Miene auf der Palasttreppe eine Rede voller Vorwürfe gegen die dortige Putsch-Regierung, während neben ihr der malische Außenminister zunehmend verärgert reagierte - was die Deutsche nicht daran hinderte, ungestört noch eine Viertelstunde weiter zu machen.
"Das sollte man einmal selbst erfahren haben"
Aber Baerbock fasst ihr Amt als Außenministerin bei diesem Afrika-Besuch weiter auf. Sie will wissen, wie die Menschen vor Ort leben und denken: "Eigentlich kann man Länder nur erfühlen, wenn man vor Ort ist, wenn man sich einen Eindruck von dem normalen Leben macht. Und dieses Leben findet auf Feldern, in Schulen und unter Bäumen bei 50 Grad hier in dieser Region statt. Und auch das sollte man einmal selbst erfahren haben, was 50 Grad Temperaturen bedeuten." Darum gehe es nämlich in den nächsten Jahrzehnten: Genau solche Temperaturen in anderen Regionen der Welt zu verhindern.
Was die Ministerin immer wieder ausspricht, ist das Wort Verantwortung: "Dass die Staaten der Sahelzone jetzt so heftig von der Klimakrise getroffen werden, ist etwas, dass die Industrieländer zu verantworten haben", sagt sie vor Studenten in der Hauptstadt Niamey. "Wir sind damit reich geworden, und der Niger leidet darunter mehr als wir. Darum sind wir verpflichtet, jetzt zu helfen."
Vom Abklatschspiel zur Pressekonferenz
Diese wertegeleitete Außenpolitik ist ein Kernthema der neuen Außenministerin, was sie nicht daran hindert, trotzdem die Außenministerin zum Anfassen zu sein - und zwar wörtlich: Als Baerbock kurz darauf in Ouallam auf eine alte Afrikanerin trifft, die sie zahnlos anlacht und ihr die Hand zum Abklatschen hin hält, bleibt sie stehen und spielt Minuten lang mit der alten Dame deutsche und nigrische Abklatschspiele - wieder ein großer Spaß für die Dorfbewohner und die Außenministerin selbst.
Mit einer Einheimischen tauschte sich Baerbock über Abklatschspiele aus.
Dann muss sie aber weiter zum Pressestatement. Dort wird sie wieder die staatstragende Außenministerin Deutschlands geben und die Zusammenhänge der großen Krisen in der Welt erläutern.