Vermittlung im Nahost-Krieg Welches Spiel spielte Ägypten?
Während Israel wieder über die Freilassung der Hamas-Geiseln verhandeln will, ist noch immer nicht klar, wie die letzte Verhandlungsrunde derart scheitern konnte. In den Blick gerät nun die Rolle Ägyptens als Vermittler.
Es ging um viel, im Grunde um alles: die Freilassung von Geiseln, eine Waffenruhe und um mehr humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza. Am 6. Mai ließ die Hamas-Führung verlauten, sie akzeptiere das in Kairo ausgehandelte Abkommen. "Wir haben jetzt eine gute Chance für eine Waffenruhe", sagte später Osama Hamdan, außenpolitischer Vertreter und hochrangiges Mitglied im Politbüro der Hamas.
Die ausgebombten Palästinenser in Gaza jubelten, die verzweifelten Angehörigen der Geiseln hofften - dann geschah nichts mehr: keine Freilassung, keine Waffenruhe, der Deal war geplatzt.
Die Verantwortung dafür trage Ägypten, schreibt nun der US-amerikanische Nachrichtensender CNN in einem langen Artikel. Ägyptens Unterhändler hätten ohne Absprache mit Israel den abschließenden Entwurf so geändert, dass er für die Hamas-Führung akzeptabel geworden sei.
"Alle hinters Licht geführt"
"Wir wurden alle hinters Licht geführt", zitiert CNN eine von drei anonymen Quellen aus dem Umfeld der Vermittler. In Kairo rotieren nun prompt die üblichen regierungsamtlichen Kreise.
Der Bericht basiere auf ungenannten Quellen, schäumte Dia Rashwan, Leiter des staatlichen Informationsservice im arabischen Sender Alghat TV. CNN verstoße gegen den internationalen Pressekodex, CNN habe die ägyptische Seite nicht mal um eine Stellungnahme gebeten.
Man habe die ägyptische Regierung um eine Stellungnahme gebeten, erklärt CNN, aber keine Antwort bekommen. Die US-Regierung wollte den Bericht nicht bestätigen, hat ihn aber auch nicht dementiert.
Indirekte Kontakte
An den wochenlangen Verhandlungen waren Ägypter, Kataris und US-Amerikaner beteiligt, auch CIA-Direktor William Burns war zeitweise dabei. Zwischen der israelischen Delegation und der Hamas gab es nur indirekte, von Unterhändlern hergestellte Kontakte.
Immer wieder seien die Gespräche an einem toten Punkt angelangt, heißt es. Dabei ging es um die Frage, ob eine Waffenruhe verbindlich auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinauslaufen werde. Das fordert die Hamas, um ihr Überleben in Gaza zu sichern. Oder ob die Waffenruhe befristet sei - das verlangt die israelische Regierung, um die Hamas zu vernichten.
Lob von der Hamas
Da es naturgemäß keinen Kompromiss gab in dieser Frage, seien die ägyptischen Unterhändler gewissermaßen kreativ geworden, berichtet CNN. Sie hätten in Eigeninitiative die von Israel gezogene Grenze verwischt, und zwar so, dass die Hamas einem Abkommen zustimmen konnte.
Die Ägypter seien wirklich hilfreich gewesen, sagte der Hamas-Sprecher Hamdan. "Sie haben ihr Bestes getan. Sie haben mit den Israelis über eine Waffenruhe geredet und mit uns. Wir haben ja gesagt."
Dass ein Hamas-Funktionär ausgerechnet die Regierung in Kairo mit Lob überhäuft, wäre vor einem Jahrzehnt noch undenkbar gewesen.
Gemeinsamer Feind
Die Hamas ist ein Sprössling der ägyptischen Muslimbrüder. Seit Präsident Abdel Fattah al-Sisi am Nil an der Macht ist, werden sie gnadenlos bekämpft und unterdrückt. Doch als ab 2015 der sogenannte Islamische Staat (IS) versuchte, sich in Gaza und auf dem Sinai einzunisten, gab es mit einem Mal einen gemeinsamen Feind: Hamas und ägyptische Geheimdienste kooperierten im Kampf gegen den IS.
Das damals entstandene Vertrauen konnten die Ägypter bislang als Unterhändler im Gaza-Krieg nutzen. Die Frage ist nur: Wie lange noch? "Ägypten hat die Vermittlerrolle nur übernommen, weil uns die USA und Israel darum gebeten haben", sagt Dia Rashwan vom staatlichen Informationsservice. "Aber wenn uns die Umstände dazu zwingen, können wir uns auch vollständig zurückziehen."