Gedenktag Das Erinnern 80 Jahre nach Stalingrad
Vor 80 Jahren endete die Schlacht um Stalingrad. Eine Schlacht, die erbittert und ohne Rücksicht auf Verluste geführt wurde. Das "Nie wieder" danach hat durch Russlands Krieg in der Ukraine eine neue Bedeutung bekommen.
Verlassen liegt sie an diesem Tag da: die Kriegsgräberstätte Rossoschka, vor den Toren Wolgograds. Die Wege sind schneeverweht. Der Wind heult zwischen den schlichten Mahnmalen, die an das Grauen der Schlacht um Stalingrad erinnern und an den Tod Zehntausender Soldaten auf beiden Seiten.
80 Jahre ist es her, dass hier ein Krieg endete. Die Atmosphäre ist beklemmend. Obwohl dieser Ort eigentlich für Frieden und Aussöhnung steht. Die Gegenwart hat die Geschichte eingeholt. Der Krieg ist zurück, ungeachtet aller Mahnungen, ihn nie wieder in Europa zuzulassen. 2015 sprachen hier der russische und der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier angesichts der Kämpfe in der Ostukraine von der großen Verantwortung, es nie wieder zu einem Krieg in Europa kommen zu lassen.
Eine gemeinsame Gedenkfeier wie damals ist heute undenkbar. Der Tonfall wird von Woche zu Woche schärfer. Auch die 93-jährige Ninel Pirogowa ist inzwischen fest überzeugt, dass Deutschland jetzt sein wahres, faschistisches Gesicht zeige.
Es war gut, dass die Schlacht von Stalingrad dem Krieg ein Ende gesetzt hat und der Siegeszug begann. Aber es ist bedauerlich, dass man die Faschisten nicht komplett vernichtet hat. Weil es die Großväter nicht geschafft haben, müssen es nun die Kinder und Enkelkinder richten.
Es zerreiße ihr das Herz, dass wieder junge Männer fallen würden, sagt Pirogowa. Und trotzdem sei es richtig, dass Russland in der Ukraine kämpfe, fügt die Künstlerin hinzu, die Reisen liebt, aufgeschlossen ist und selbst ukrainische Wurzeln hat.
"Übel, die größeres Übel verhindern"
Dass Russland im Nachbarland gegen die Wiederkehr des Faschismus kämpfe, gegen einen aggressiven, verdorbenen Westen, davon ist auch Tatjana Prikaztschikowa überzeugt.
Natürlich sei Krieg furchtbar, betont die Pressebeauftragte des Museums der Stalingrader Schlacht. "Aber es gibt Übel, die größeres Übel verhindern. Ich wünsche niemandem etwas Böses, wirklich nicht, glauben Sie mir. Aber der Faschismus darf nie wieder sein Haupt erheben."
Vor einem Modell aus Pappmaché beschreibt sie, wie Stalingrad unter dem Bombenhagel der Deutschen in eine Ruinenlandschaft verwandelt wurde. Sie zitiert Zeitzeugen, die die blutigen Häuserkämpfe miterleben mussten und spricht über die vielen Opfer - auch unter der Zivilbevölkerung. Die Frage nach Soledar oder Mariupol aber, der Bezug ins Jetzt, irritiert sie.
Die verlorene Schlacht um Stalingrad gilt als ein Wendepunkt für den Zweiten Weltkrieg.
Vielen Russen ist der Jahrestag heilig
Im Schatten der monumentalen Statue von Mutter Heimat, die ihr Schwert gen Himmel reckt, werden an diesem Tag junge Männer in Kampfmontur verabschiedet - in einen Krieg, der weiterhin Spezialoperation heißt. "Wir wollen uns würdig erweisen, wollen der glorreichen Vergangenheit und dem hohen Ansehen der Stalingrader Truppe keine Schande machen. Also vorwärts", sagt einer der Freiwilligen der Gruppe Stalingrad der Nachrichtenagentur Ria Novosti.
"Alles für die Front. Alles für den Sieg." So steht es auf dem Mamajew-Hügel in Stein gemeißelt. Jemand hat eine rote Nelke davor niedergelegt. Sergej, der mit seinen Kindern hergekommen ist, findet Patriotismus wichtig. Der Jahrestag ist ihm heilig.
Es sei ein Tag, der besonders gewürdigt werden müsse, sagt auch die 93-jährige Ninel. Sie ist sicher, dass Russland wieder siegen wird. Wie vor 80 Jahren in der erbitterten Schlacht von Stalingrad, die Hunderttausende Opfer forderte.