GPS-Spoofing Hackerangriffe aufs Cockpit
Das Aussenden falscher GPS-Signale - sogenanntes GPS-Spoofing - erschwert Pilotinnen und Piloten vor allem in Krisengebieten die Navigation. Die Luftfahrtbranche fordert Gegenmaßnahmen.
Mit den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten haben Störattacken auf die GPS-Navigation stark zugenommen. Das Problem: Auch Verkehrsflugzeuge können dadurch vom Kurs abgebracht werden und dadurch möglicherweise in Gefahr geraten.
Das Problem betrifft alle Fluglinien weltweit: insbesondere die, die oft im Nahen Osten unterwegs sind oder in Osteuropa - wie Air Baltic aus Lettland. Dort wissen die Pilotinnen und Piloten, dass in bestimmten Gebieten oft das GPS-Signal ausfällt, das für bestimmte Navigationssysteme gebraucht wird.
GPS-Spoofing überdeckt ursprüngliches Signal
Wer das GPS-Signal stört, bleibt meist unklar. Von "Jamming" spricht man, wenn das GPS-Signal durch Störeinflüsse plötzlich verschwindet - ein Problem, das in der Nähe von Krisengebieten vorkommt und das die Schifffahrt ebenso betrifft.
Eine andere Art der Störung ist allerdings viel gefährlicher: Den Piloten im Cockpit wird vorgemacht, sie seien ganz woanders. Kapitän Janis Kristops, Flugsicherheitsmanager bei Air Baltic erläutert im Interview mit dem SWR: "Spoofing bedeutet, dass jemand versucht, Daten mit einem bösartigen Signal zu überdecken, also mit falschen Informationen, um damit falsche Reaktionen auszulösen."
Kristops meint damit die Navigationsdaten, die eigentlich vom Satelliten ins Cockpit kommen. Das Problem bei Spoofing: Piloten und Pilotinnen können nur schwer erkennen, ob und wie sie im Cockpit gehackt wurden.
Niklas Ahrens ist bei der Pilotenvereinigung Cockpit zuständig für IT-Sicherheit. Er kennt die Gefahren des GPS-Spoofings sehr genau: "Wenn es wirklich sehr gut gemachtes Spoofing ist, dann weiß der Angreifer, welches Ziel er hat. Das heißt, er hat sich einen konkreten Flieger ausgesucht. Er weiß die Position des Fliegers und versucht dann, durch gezieltes Verfälschen des GPS-Signals diese Position abdriften zu lassen." Wenn solche Attacken wirklich gut gemacht sind, seien diese, so Ahrens, kaum zu erkennen.
Verzögerte Zeitsignale können die Navigation per GPS stören
Weil die GPS-Navigationssysteme offen und unverschlüsselt sind, können Angriffe auf mehrere Arten durchgeführt werden. Die einfachste Attacke für Spoofing wäre eine sogenannte Replay-Attacke: Dafür wird das Zeitsignal, das ein Satellit aussendet, aufgenommen und mit einer gewissen Verzögerung wieder abgespielt. Dadurch wird die Position leicht verfälscht.
Genauso ist aber auch die absichtliche Übermittlung falscher Navigationsdaten möglich. Flugkapitän Kristops erklärt, was in so einem Fall passiert: "Wenn man sich betroffene Flüge auf einer Plattform wie Flugradar 24 anschaut, dann sieht man, dass die auf einmal weit wegspringen, auch wenn sie normal weiterfliegen. Das Flugzeug ist natürlich nicht in der Lage, 240 Meilen in einer halben Sekunde zurückzulegen."
Sogar die digitalen Karten im Cockpit, die sogenannten "moving maps", können dann umspringen.
GPS-Navigation: Falsche Höhendaten können Flugzeuge irritieren
Eine weitere Möglichkeit für Angreifer: Den Cockpitinstrumenten werden falsche Höhendaten übermittelt. Prinzipiell wird die Flughöhe zwar über den Luftdruck gemessen, aber bestimmte Warnsysteme wie das für Bodenannäherung - wichtig für Flüge im Gebirge - bekommen sie via GPS.
So können Flugzeuge beispielsweise in elf Kilometern Flughöhe plötzlich eine Warnmeldung bekommen, dass das Flugzeug bald den Boden berühren könnte. Sicherheitsexperte Ahrens: "Dann schreit das System quasi so lange, bis man es ausschaltet oder gelandet ist."
Es gibt Regionen, in denen Flugzeuge besonders häufig bei der Navigation mit GPS-Störsignalen gestört werden.
GPS-Spoofing soll durch neue Sicherheitssysteme besser erkannt werden
Und derlei Attacken nehmen zu. Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA will die Fluglinien besser schützen. Allerdings gibt es, so Cyrille Rosay, EASA-Experte für Cybersicherheit, wenn ein Flugzeug heute gespooft wird, keine Möglichkeit, das zu entdecken. In naher Zukunft soll das jedoch möglich sein.
Zum Beispiel könnten die verschiedenen Navigationssysteme im Cockpit - es gibt mehrere - alle Daten automatisch abgleichen und bei Unstimmigkeiten Alarm auslösen. Der Pilot oder die Pilotin könnte in solchen Fällen dann auf ein anderes System ausweichen. Das geht heute teilweise schon - ist aber abhängig vom Flugzeugtyp.
Riskant ist Spoofing auf jeden Fall, sagt Rosay: So könnte es beispielsweise sein, dass man in eine virtuelle (falsche) Position versetzt wird. Wenn das nicht bemerkt und korrigiert wird, kann es sein, dass das Flugzeug unberechtigt in fremden Luftraum eindringt.
Wenn das in der Nähe der iranischen Grenze passiert, kann so etwas tatsächlich gefährlich werden. Der Iran hat bekanntlich schon ein ausländisches Passagierflugzeug abgeschossen. Auch viele andere Spoofing-Problemzonen liegen im Nahen Osten vom Irak über Ägypten bis nach Israel.
Urheber der GPS-Spoofing-Attacken bislang unklar
Wer die falschen Daten verschickt, ist bislang unklar. In Deutschland wären Probleme durch Spoofing undenkbar, sagt Robert Ertler von der Deutschen Flugsicherung. Jedes Verkehrsflugzeug habe mindestens zwei weitere Navigationssysteme an Bord, und Fluglotsen würden die Flugzeuge auf dem Radar sehen.
"Es ist in genau so einem Fall dann ganz wichtig, dass man dann ein anderes System, was komplett unabhängig von dem läuft, nutzen kann und dann auch eins zu eins darstellen kann, wo man ist und dass man auch lokalisiert wird", sagt Ertler.
Aber im Ausland gibt es oft keine teuren Funkfeuer, die ein Flugzeug anpeilen können. Auch die Radarabdeckung lässt zu wünschen übrig. Deswegen setzen EASA und Pilotenvereinigung auf bessere Ausbildung und darauf, dass die verschiedenen Hersteller Gegenmaßnahmen entwickeln. Ein Patentrezept gibt es leider nicht, sagt Rosay: "Wir möchten, dass sich die Situation verbessert. Aber ich denke, der beste Weg, die Situation zu verbessern, ist, die Kriege zu beenden - wenn die vorbei sind, verhält sich das GPS wieder normal."