Tierforschung Otter nutzen Werkzeug für Zahnvorsorge
Seeotter fressen täglich bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts. Dabei nutzen sie Muschelschalen und Steine als Besteck, um ihre Beute aufzuknacken. Das könnte evolutionäre Vorteile haben.
Mithilfe freiwilliger "Otter-Spotter", zu Deutsch Otter-Beobachter, hat ein US-amerikanisches Forschungsteam das Essverhalten von knapp 200 Seeottern vor der kalifornischen Küste beobachtet. Dabei analysierten sie, wie die Otter Werkzeuge wie Muscheln oder Steine für die Nahrungsaufnahme verwendeten. Das habe laut der neuen Studie eine größere Bedeutung für das Überleben der Otter als bisher angenommen.
Die Nutzung von Werkzeugen ermöglicht den Ottern nämlich nicht nur eine größere Auswahl an Beute, sondern schont auch ihre Zähne, mit denen sie sonst ihre harte Beute aufknacken würden, so die Studie. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden jetzt im Fachmagazin "Science".
Um einzuschätzen, inwieweit die Nutzung von Werkzeug der Zahngesundheit zugutekommt, haben die Forschenden zusätzlich zu den Beobachtungsdaten auch einzelne Tiere kurzzeitig eingefangen und deren Gebiss untersucht - darunter sowohl lebende Exemplare aus der Population als auch Tiere, die während des Beobachtungszeitraums natürlich verstarben. Ihr Ergebnis: Diejenigen Otter, an denen die Forschenden vermehrt die Nutzung von Werkzeug beobachtet haben, hatten auch weniger Abnutzungsspuren an ihren Zähnen.
Gesunde Zähne bieten evolutionären Vorteil
Im Tierreich sind gesunde Zähne enorm wichtig. Sie werden oft mit einer höheren Überlebenschance assoziiert. Denn: Wer seine Zähne länger hat, kann länger Essen, also länger leben. Folgt daraus eine höhere Chance sich fortpflanzen zu können, spricht man von einer höheren "evolutionären Fitness". Das könnte auch auf die Otter zutreffen.
Doch es ergibt sich noch ein weiterer Vorteil durch die Werkzeugnutzung: eine größere Nahrungssicherheit. Die eigentliche Leibspeise von Seeottern sind Seeigel und Seeohren, eine Schneckengattung mit Schale. Denn die sind leicht zu knacken und geben viel Energie. Werkzeug brauchen die Otter dafür nicht. Geht diese Nahrung aber aus, weil zum Beispiel zu viele Otter im Gebiet sind, heißt es: neue Nahrungsquellen finden. Die noch verfügbaren Muscheln, Krabben und Schnecken sind allerdings viel härter. Sie zu knacken, schädigt die Zähne dementsprechend stärker. Deswegen kann hier das Werkzeug zum Einsatz kommen.
Vor allem Seeotter-Weibchen nutzen Werkzeug
Dieses Verhalten wird vor allem bei weiblichen Seeottern beobachtet. Das könnte an den körperlichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern liegen, erklärt die Verhaltensbiologin Alice Auersperg. Sie ist Professorin für Verhaltensbiologie an der Uni Wien und hat sich auf Werkzeuggebrauch bei Tieren spezialisiert. "Die sind natürlich ein bisschen kleiner als die Männchen und haben vielleicht einfach nicht so viel Kraft im Kiefer. Und es ist auch so, dass sie nicht so weit reisen und dadurch vielleicht einfach die Futterquellen nehmen müssen, die in einer Umgebung vorhanden sind", so Auersperg.
Bisher bleibt offen, wie die Otter lernen, Werkzeug zu nutzen. Möglicherweise könnten die Jungtiere das Verhalten von ihren Eltern erlernen: "Da wäre es natürlich auch interessant zu schauen, welche Sprösslinge welche Art von Werkzeug gebrauchen und ob das mit den Müttern übereinstimmt. Weil man dann schon davon ausgehen kann, dass es eine starke soziale Lernkomponente hat", so Auersperg.
Mehr Forschung notwendig
Um mit Sicherheit sagen zu können, ob und inwiefern die Otter von der Werkzeugnutzung evolutionär profitieren, brauche es weitere Langzeitstudien, sagt Auersperg. Es müsste zum Beispiel untersucht werden, ob diejenigen Otter, die vermehrt Werkzeuge zur Nahrungsaufnahme benutzen, auch tatsächlich eine höhere Überlebenschance haben und sich dadurch besser fortpflanzen können, als solche, die weiterhin nur auf ihre Zähne setzen. Es bleibt also noch genug zu tun für die freiwilligen Otter-Spotter in Kalifornien.