Klimawandel Tigermücken - wie gefährlich sind sie?
Sommer, Sonne, Tropennächte - leider gehen die auch einher mit Mücken. In den vergangenen Jahren hat sich auch in Deutschland zunehmend die Asiatische Tigermücke verbreitet. Das könnte ein Problem werden.
Wo in Deutschland sind Tigermücken am meisten verbreitet?
In Deutschland ist die Tigermücke (Aedes albopictus) bisher nicht flächendeckend verbreitet, aber es gebe mittlerweile fest etablierte Populationen, sagt Mücken-Expertin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Die Hotspots können - je nach Wetterbedingungen in den Regionen - von Jahr zu Jahr variieren.
Vor allem Bayern und Baden-Württemberg sind als Grenzstaaten zu Mittel- und Südeuropa, betroffen. Denn seit den 1990er-Jahren schon breitet sich die Tigermücke massiv in Italien, Griechenland und Frankreich aus, wie das Friedrich-Löffler-Institut angibt. Hier sei die Population schon so groß, dass sie nicht mehr zu kontrollieren ist.
In Baden-Württemberg sind besonders die wärmeren Regionen entlang des Rheins und der südliche Teil des Bundeslandes, wie zum Beispiel der Raum Freiburg, bekannt für Tigermückenpopulationen. In Bayern sind bekannte Hotspots vor allem der Raum München und die umliegenden Gebiete. Auch in Rheinland-Pfalz entlang des Rheins, im hessischen Rhein-Main-Gebiet und im Saarland sowie in Berlin und Thüringen wurden vereinzelt Tigermücken entdeckt.
In vielen Fällen informieren die lokalen Gesundheitsbehörden auf ihren Internetseiten über die aktuelle Tigermücken-Situation vor Ort.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel?
Die Asiatische Tigermücke stammt aus den Tropen. Ihre ursprüngliche Heimat ist in Ländern wie Indonesien, Thailand und Vietnam. Sie kam vermutlich als "blinder Passagier" über Schiffe nach Europa, wo sie sich auch über den PKW- und LKW-Verkehr verbreitet. Eine lokale Vermehrung wurde hierzulande erstmals im Jahr 2014 in Freiburg festgestellt.
Die Tigermücke liebt die Wärme. Eigentlich können ihre Eier in den kälteren Wintern in Deutschland nicht überleben. Doch zum einen hatte Deutschland in den vergangenen Jahren außergewöhnlich milde Winter. Zum anderen ist die Tigermücke sehr anpassungsfähig: Ihre Eier können in eine Art Ruhepause gehen und so über mehrere Monate in trockener Umgebung liegen bleiben. Die Larven schlüpfen erst dann, wenn die Bedingungen geeigneter sind - zum Beispiel, wenn es wieder wärmer wird und die Eier mit Wasser in Berührung kommen.
Das bedeutet: Der Klimawandel begünstigt durch mildere Winter und höhere Sommertemperaturen die Überwinterung und Vermehrung der Mücken. Und dieser Trend ist laut Experten erst der Anfang. "Wenn wir davon ausgehen, dass die Sommer so warm sind wie die vorigen, werden die Populationen zunehmen", sagt Artur Jöst, Biologe bei der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS).
Was unterscheidet Tigermücken von anderen Mückenarten?
Aussehen: Die Asiatische Tigermücke hat eine charakteristische Schwarz-Weiß-Musterung auf Körper und Beinen, ähnlich gestreift wie ein Tiger. Viele unserer heimischen Mückenarten sind einfarbig mit einheitlicher Körper- und Flügelfärbung, meist grau bis bräunlich und etwas größer als eine Tigermücke. Die gemeine Hausmücke (Culex pipiens) zum Beispiel hat einen gelb-braunen Körper.
Verwechslungsgefahr: Unsere heimische Ringelmücke sieht der Tigermücke sehr ähnlich, denn auch sie ist gemustert. Sie hat allerdings statt eines schwarzen einen eher gelb-braunen Körper und ist 15 Millimeter groß. Die Tigermücke kommt nur auf zehn Millimeter.
Aktivitätszeit: Viele unserer heimischen Mückenarten kommen vor allem in den Abend- und Nachtstunden raus. Die Tigermücke ist dagegen tagaktiv und laut Forschenden "sehr stechfreudig".
Lebensraum: Heimische Mücken leben bevorzugt an Gewässern. Tigermücken aber können sich wegen ihrer hohen Anpassungsfähigkeit in verschiedenen Lebensräumen ansiedeln - auch kleine Wasseransammlungen sind für sie schon ausreichend, wie zum Beispiel eine Pfütze.
Welche Krankheiten können Tigermücken übertragen?
"Weit mehr als zwanzig, vor allem aus den Tropen bekannte Krankheitserreger, kann die Tigermücke nachweislich übertragen - darunter das Dengue-, West-Nil- und Gelbfieber-Virus, aber auch das Zika-Virus", erklärt Helge Kampen, Infektionsbiologe am Friedrich-Loeffler-Institut.
Doch wer von einer Tigermücke gestochen wird, muss nicht automatisch krank werden. Denn eine Tigermücke ist nicht per se infiziert. Um das Virus weiterzugeben, müssen die Tigermücken-Weibchen zuerst an einer infizierten Person Blut saugen und das Virus aufnehmen. Forschende schätzen, dass diese Infektionsquellen hier noch selten vorkommen.
Außerdem muss das Virus auch in der Mücke überleben, um dann beim nächsten Blutsaugen wieder auf einen Menschen zu treffen und ihn damit zu infizieren. Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten ist eine Übertragung nur im Sommer möglich. Denn die Viren brauchen bestimmte Mindesttemperaturen, um sich in der Mücke zu vermehren.
Steigt die Wahrscheinlichkeit von Infektionen?
Die Wahrscheinlichkeit für die Infektion erhöht sich allerdings, je mehr Tigermücken sich ungestört in Deutschland ausbreiten können. Denn bei warmen Temperaturen können sich auch die Viren in den Stechmücken besser vermehren. Das Robert Koch-Institut (RKI) rechnet mit mehr und wärmeren Sommermonaten und mit mehr Chikungunya- und Dengue-Virus-Infektionen. "Mehr Tigermücken bedeuten eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger von dem Insekt auf uns Menschen übertragen werden können", sagt Biologe Jöst.
In Südeuropa soll die Tigermücke in den vergangenen Jahren für mehrere Ausbrüche und Fälle des Chikungunya- und des Dengue-Fiebers verantwortlich gewesen sein. Bislang wurde in Deutschland noch kein Krankheitsfall - ausgelöst von einer Tigermücke - nachgewiesen. Weil beim West-Nil-, dem Chikungunya- und dem Zika-Virus nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome entwickeln, geht das RKI auch davon aus, dass viele Infektionen unerkannt bleiben.
Wie kann man Tigermücken effektiv bekämpfen?
Um Tigermücken zu bekämpfen, ist schon ab Mitte März eine ganze Einsatztruppe in den versumpften Wäldern der Oberrheinregion unterwegs: Die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS). Die Mitarbeitenden suchen vor allem die Brutstätten der Tigermücken. Jedes Weibchen legt bis zu 300 Eier. Die sind überall da, wo sich Wasser ansammelt: In Regenrinnen, Gießkannen, Pfützen, Blumentöpfen oder Regentonnen. Weil die Eier allerdings so trocken- und kälteresistent sind, ist die Bekämpfung schwierig, denn sie können lange Zeit versteckt und in schwer zugänglichen Bereichen liegen. Denn Tigermücken sind Höhlenbrüter.
Sind diese Brutstätten gefunden, werden sie mit einer Bti-Lösung behandelt. Der Bti-Wirkstoff ist ein Eiweißkristall, das aus dem bodenlebendem Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) gewonnen wird. Es lagert sich bei den Zielorganismen an Rezeptoren von Darmzellen, bringt die Zellen zum Zerplatzen und zerstört damit das Darmepithel.
Doch Bti besitzt eine Breitbandwirkung. Das bedeutet, außer Stechmücken schadet es auch nichtstechenden Zuckmückenarten. Die sind für den Menschen ungefährlich, aber eine wichtige Nahrung vieler Tierarten.
Forschende vom hessischen LOEWE Zentrum für translationale Biodiversitätsgenomik haben auch eine neue Methode entwickelt, um gezielt nur gefährliche Mückenarten auszuschalten - ganz ohne dabei anderen Tieren und Insekten zu schaden. Bei dieser RNA-Interferenz-Methode bekommen Mückenlarven im Verbreitungsgebiet Nahrung, die doppelsträngige Ribonukleinsäuren, kurz RNAs enthält. Diese schalten überlebenswichtige Gene der Larven aus.
Ist die RNA-Methode schon zugelassen?
Noch ist diese Methode der hessischen Forschenden nicht zugelassen. Doch Entwickler Andreas Vilcinskas von der Justus-Liebig-Universität in Gießen ist zuversichtlich. Das Potential der umweltfreundlichen Methode werde bereits von den zuständigen Behörden, wie dem Bundesumweltamt und dem Bundesamt für Risikobewertung erkannt, sagt Vilcinskas. Seiner Einschätzung nach wird es nicht mehr lange bis zu einer Zulassung dauern, gerade auch weil es nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit große Bestrebungen gibt, das Verfahren nutzbar zu machen.
Die Möglichkeiten in der Stechmückenbekämpfung sind in Deutschland durch den strengen Insektenschutz limitiert. Neben dem Einsatz von sterilen Mücken-Männchen, die beispielsweise durch Bestrahlung unfruchtbar gemacht wurden, gibt es kaum andere zugelassene Bekämpfungsmethoden. Deshalb sieht auch Biologe Jöst das neue Verfahren als gute Unterstützung an. Denn diese Methode soll nicht mal viel kosten.