Anwohner arbeiten im "Miniwald" in Hamburg-Altona.

Miniwälder in Städten Eine Klimaanlage fürs Viertel

Stand: 28.03.2023 06:03 Uhr

Im Sommer wird es oft heiß in dicht bebauten Großstädten. Schnell wachsende Miniwälder sollen die Luft verbessern und abkühlen. Eine Idee aus Japan - funktioniert sie auch hier?

Von Niklas Schenck, NDR

Es ist ein Gewusel: Auf einem kleinen Grundstück neben einem Hochhaus stemmen etwa 50 Menschen gleichzeitig ihre Spaten in die Erde. Sie pflanzen junge Bäume ein. Eichen, Buchen und heimische Sträucher. Aus ihnen soll auf 300 Quadratmetern ein neuer Miniwald entstehen. Mitten im Wohngebiet im Hamburger Bezirk Altona.

"Tiny Forests" - Miniwälder in Städten speichern CO2 und fördern Artenvielfalt

Niklas Schenk, NDR, tagesschau 12:00 Uhr

Nachbarn und einige Familien helfen mit, die rund 1000 Setzlinge in den Boden zu bringen. Toll finde sie es, in kurzer Zeit viele Bäume zu pflanzen, die CO2 speichern werden, erklärt Nina Schumann, während ihr Sohn gerade eine Wurzel eingräbt.

Ein Gabelstapler mit Heu im "Miniwald" in Hamburg-Altona.

In Altona soll mitten in der Stadt ein Miniwald entstehen.

Urbane Oasen für die Artenvielfalt

Die Idee des Tiny Forest, des Waldes im Miniformat, stammt vom japanischen Waldforscher Akira Miyawaki. Er studierte und lehrte auch in Deutschland. Bereits in den 1970er-Jahren dachte Miyawaki darüber nach, wie man in Großstädten das Klima durch Aufforstung verbessern kann. Seine Antwort: Kleine, grüne Naturinseln schaffen. Sie spenden Schatten, unterstützen die Artenvielfalt und reinigen die Luft von Schadstoffen.

Dadurch dass die Bäume auf engstem Raum gepflanzt werden, sollen sie besonders schnell heranwachsen. Denn sie konkurrieren um Licht. Der Boden wird außerdem mit natürlichen Nährstoffen angereichert - auch dies, um das Wachstum zu beschleunigen. Die Organismen versorgen sich gegenseitig. Schon nach drei Jahren Pflege und Bewässern wird ein Tiny Forest in der Stadt sich selbst überlassen.

Mehr Pflanzaktionen

Solche Miniwälder, für die eine Fläche von nur 100 Quadratmetern ausreicht, gibt es inzwischen in Indien, den USA und Europa, etwa in London und Wien. In Deutschland hat Boris Kohnke mit seinem Verein "Citizens Forests" bereits 19 Miyawaki-Flächen gepflanzt, die erste in Schleswig-Holstein. "Durch sie heizt sich die Stadt nicht so sehr auf und sie bieten zusätzlich noch einen Rückzugsort für gefährdete Tiere, die sonst keinen Platz haben, an dem sie sich aufhalten können", sagt Kohnke.

Er steht inmitten der frisch eingesetzten Bäume in Hamburg. Sein Verein hat eine Mission. So wie auf die Behörden in Norddeutschland wolle man bald auf Tausende weitere Städte und Gemeinden zugehen, um nicht genutzte Flächen für Tiny Forests zu finden. "Ob nun ein kleiner Wald etwas bewirken kann, das ist die Frage. Aber viele kleine Wälder können etwas bewirken und genau das ist unser Ziel."

Waldexperte sieht Klimaeffekt kritisch

Mit einem echten Wald ist so ein Miniwald nicht zu vergleichen. Entsprechend kritisch sieht der Biologe Ernst-Detlef Schulze den Effekt des neuen Stadtgrüns für das Klima insgesamt. "Die Ausmaße dieser Aktivitäten sind minimal und kaum messbar", so der Professor am Max-Planck-Institut in Jena.

Natürlich wirke jeder Baum in einem Wohngebiet wohltuend. Er verringere die Staubbelastung und spende Schatten. Große CO2-Speicher sind die Tiny Forests aus Sicht des Forschers aber nicht, selbst wenn viele angelegt würden. Es brauche weitere Maßnahmen wie begrünte Fassaden und Dachgärten sowie eine nachhaltige Holzwirtschaft.

Miniwälder brechen Versiegelung auf

Für Gesche Jürgens ist das kein Argument gegen die Idee aus Japan. Die Waldexpertin von Greenpeace meint, richtige Wälder seien Verbündete beim Klimaschutz. Sie wirkten wie riesige Klimaanlagen. "Ohne den Amazonas-Regenwald und die nordischen Wälder haben wir keine Chance, den Klimawandel in den Griff zu bekommen."

Aber neben dem Walderhalt sei es auch wichtig, in den Städten mehr Grün zu schaffen. "Denn hier gibt es ganz viel Beton und versiegelte Flächen. Und da sind solche Miniwälder einfach ein wichtiger Beitrag für mehr Kühlung", sagt die Umweltschützerin.

Kohnke und den Ehrenamtlichen von "Cititzens Forests" geht es genau darum: Sie wollen die Lebensqualität in Quartieren verbessern. In Hamburg und anderen deutschen Städten werden zurzeit mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Deshalb zähle jedes Stück Natur, jeder Baum. Insgesamt 100.000 wollen sie in den nächsten Jahren allein in Hamburg pflanzen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21.03.2023 um 12 Uhr