Energiewende Leopoldina fordert mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drängen die Ampel-Koalition zu mehr Anstrengungen für eine Energiewende. Sie empfehlen technologieoffene Strategien und mahnen im Sinne des Klimaschutzes zu mehr Tempo bei der Umsetzung.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich mit einem Diskussionspapier an die Bundesregierung gewandt. Darin drängen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ein rasches Handeln beim Umbau der Energieversorgung.
Es bleibe kaum mehr Zeit, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, heißt es in dem Papier mit dem Titel "Den kritischen Zeitpunkt nicht verpassen". Forschende wie der Klimaökonom Ottmar Edenhofer und die zu den fünf Wirtschaftsweisen zählende Veronika Grimm empfehlen für die Zukunft vor allem technologieoffene Strategien, um Anreize für Investitionen zu schaffen.
Die Veröffentlichung des Papiers war laut "Spiegel" ursprünglich für einen Forschungsgipfel Ende des Monats geplant. Sie sei vorgezogen worden, um die Verantwortlichen in der Bundesregierung noch rechtzeitig auf ihrer Klausurtagung auf Schloss Meseberg zu erreichen.
Eine Zukunft mit Wasserstoff
"Der Handlungsbedarf ist groß und dringlich", heißt es in dem Papier, in dem Leitideen für die internationale, europäische und nationale Klimawende skizziert werden. Ein künftig auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem werde demnach zu einem erheblichen Maß auf Elektrizität beruhen, schreiben die Fachleute.
Eine Herausforderung dabei sei, dass der Energieertrag aus Sonne, Wind und Wasser stetig schwanke. Elektrische Energie könne aber nicht einfach in erforderlichen Mengen gespeichert werden, wenngleich sich die Effizienz von Batteriespeichern immer weiter verbessere.
Deshalb würden stoffliche Energieträger in der Zukunft eine zentrale Rolle spielen, allen voran der Wasserstoff. Bis die Technologie so weit sei, müsse man übergangsweise auf fossile Energieträger wie Erdgas zurückgreifen.
Es gilt, jetzt die Anstrengungen deutlich zu verstärken und zu erweitern sowie durch konsequente Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation zu schaffen.
Zwei Phasen der Klimapolitik
Aus Sicht der Forschenden markiert das Ziel der Klimaneutralität den Einstieg in eine neue Phase der globalen Klimapolitik. Die erste Phase, die noch nicht abgeschlossen ist, beinhalte die drastische Verminderung der Emissionen der nationalen Energiesysteme durch den Einsatz von Vermeidungstechniken, etwa dem Drängen der Kohle aus dem Stromsektor.
Die zweite Phase, die nun vorangetrieben werden müsse, beschreibt den Prozess der Emissionsentnahme. Dabei sollen nicht oder nur schwer vermeidbare Emissionen der Atmosphäre wieder entnommen werden. Ohne eine solche Kohlenstoffentnahme werde weder das Ziel von Netto-Nullemissionen bis zur Jahrhundertmitte erreichbar, noch die nachhaltige Herstellung von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) möglich sein, heißt es.
Anreize für private Investitionen schaffen
Die erforderlichen Transformationsstrategien sollten nach Meinung der Autorinnen und Autoren dabei möglichst technologieoffen gehalten werden. Dies würde die Attraktivität privater Investitionen in die Transformation erhöhen. Besonders die Klärung von Rahmenbedingungen für solche Investitionen sei zentral. Auch deren Verlässlichkeit müsse gewährleistet werden.
Weiter wird empfohlen, neben den technischen Wissenschaften auch alle weiteren Wissenschaftsdisziplinen in den Prozess mit einzubeziehen. So seien verstärkt die Wirtschafts-, Sozial-, Verhaltens- und Politikwissenschaften für ein Gelingen der Energiewende vonnöten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beklagen in diesen Feldern große Forschungslücken bei der Identifikation konkreter politischer Maßnahmen und Wechselwirkungen.
Weiterhin solle man auf europäischer Ebene von protektionistischen Klimaschutzmaßnahmen abrücken. Viel wichtiger sei eine Vertiefung der Kooperationen innerhalb der EU und mit Drittstaaten. Als wichtiges Werkzeug dafür identifizieren die Forschenden den europäischen Emissionshandel, der zu einem "einheitlichen, transparenten, langfristig tragfähigen und alle Emissionen umfassenden Steuerungsrahmen" ausgebaut werden sollte.